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Öffentliche Entrüstung, Spott und Häme

Benq-Pleite: Handy-Sparte von Siemens wollte kein anderes Unternehmen geschenkt haben


Zum Fall Benq-Siemens meint dieser Leser:
Wer ohne Sünde ist... Der Schuldige im Fall Benq-Siemens war rasch gefunden: Klaus Kleinfeld! Sofort begann das ewig gleiche Schmierentheater über soziale Gerechtigkeit und Kapitalismuskritik. Prompt präsentierte ein öffentliches Meinungskartell von Gewerkschaftsfunktionären, Politikern und Journalisten die wohlfeile und immer gleiche Erklärung: Schuld ist das moralisch degenerierte Management, in diesem Fall die mangelnde Moral des Klaus Kleinfeld.
Nun ergießt sich über den »armen Herrn Kleinfeld« (WESTFALEN-BLATT-Kommentar vom 3. Oktober 2006) eine Lawine der öffentlichen Entrüstung, voller Spott und Häme.
Journalisten, Politiker und Bürger gefallen sich in der Position der moralischen Überlegenheit.
Dass sich der öffentliche Diskurs über Siemens in denselben Bahnen bewegt wie all die anderen moralischen Entrüstungen über das Wirtschaftssystem, meinte kommentierend auch diese Zeitung, näher hinterfragt wird es aber nicht, weil doch scheinbar auch im Falle von Benq wieder einmal der Beweis dafür erbracht wurde, dass es immer die mangelnde Moral der Manager ist, die Unternehmen zugrunde richtet.
An dieser Stelle wären jedoch ein paar kritische Nachfragen angebracht. Wie kommt es, dass die Mobilfunksparte des Siemens-Konzerns nur gegen eine Prämie von mehr als 400 Millionen Euro einen Abnehmer fand?
Geschenkt wollte das Unternehmen niemand haben. Dies ist ein eindrucksvoller Beweis für die Defizite des Standortes Deutschland. Die 3000 qualifizierten Mitarbeiter waren offenbar wegen ihrer weitgreifenden Sozial- und Kündigungsschutzansprüche alles andere als ein Standortvorteil. Denn maßgeblich die deutschen Arbeitsmarkt- und Sozialgesetze machten eine dringend nötige Radikalkur unmöglich.
Da war es allemal günstiger, die Insolvenz anzumelden und die Millionen abzuschreiben als eine echte Sanierung für den Weiterbestand des Unternehmens vorzunehmen. Ob Benq-Vorstandschef Kleinfeld dies mit einkalkuliert hat oder nicht, ist für den Sachverhalt und die Beschäftigten unerheblich. Letztere sind und bleiben die Verlierer.
Was aber wären die Alternativen gewesen? Ein »Weiter so«? Mit dem Geld der Aktionäre auch in Zukunft Mobiltelefone herstellen, die vom Verbraucher schon bisher nicht mehr gekauft wurden, weil sie im Vergleich mit anderen zu schlecht und zu teuer waren?
Ganz sicher nicht! Die Lösung kann nur in einer Flexibilisierung des Standorts Deutschland liegen. Wenn das Kartell aus Sozialpolitikern und Gewerkschaftsfunktionären auch in Zukunft eine wirksame Deregulierung der Arbeitsmärkte verhindert und dafür sorgt, dass die Insolvenz eines Unternehmens gegenüber der Sanierung die günstigere Lösung bleibt, dann wird der Fall Benq-Siemens sicher nicht der letzte gewesen sein.
Also werden wohl auch in Zu- kunft diejenigen, die wirksame Wirtschaftsreformen verhindern und damit die Rahmenbedingungen für Unternehmenspleiten á la Benq schaffen, die ersten sein, die die Moralkeule schwingen. Besser sollte gelten: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!

HARRY MÜLLER33184 Altenbeken

Artikel vom 19.10.2006