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Als Ministerfahrer halb Europa gesehen

Karl Mölling legte 80 000 Kilometer pro Jahr unfallfrei zurück - Von 1951 bis 1980 gefahren

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Er hat sie alle gekannt, Minister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter und natürlich viel ausländische Prominenz, die in Bonn zu Gast war. Karl Mölling (90) hatte nämlich einen Beruf, der ihn durch halb Europa führte - immer mit Prominenten im Gepäck. Der auch heute noch sehr vitale und rüstige Rentner hatte nämlich einen Beruf, von dem andere nur träumen können: Er war Mnisterfahrer in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn.

Und das seit 1951. Der 90-Jährige hat den Aufbau der damals jungen Demokratie in Deutschland hautnah miterlebt, war immer informiert aus erster Hand. Er diente verschiedenen Herren, die unterschiedlichen Parteien angehörten. »Diskretion war Ehrensache, wir durften und wollten nichts ausplaudern, was wir so mitbekamen,« schmunzelt Karl Mölling verschmitzt. Und daran hält er sich auch heute noch. Eine Präferenz für einen bestimmten Minister mag er nicht abgeben. »Die waren alle sehr nett, egal, ob von der CDU oder der SPD,« sagt er salomonisch.
Und was die wenigsten wissen: Die Wiege verschiedener Ministerien stand in Ostwestfalen-Lippe. So fungierte beispielsweise das spätere Verkehrsministerium als »Hauptverwaltung der Straßengeneraldirektion« an der Herforder Straße in Bielefeld. Der Vorläufer des Arbeitsministeriums war in Lemgo untergebracht und das Wirtschafts- und Finanzministerium hatte seine Wurzeln in Minden. »Die Straßengeneraldirektion wechselte dann nach Frankfurt am Main, bevor sie in Bonn ihre vorläufige Heimstatt fand und das Verkehrsministerium daraus wurde. Den gelernten Maschinenbauer, der im zweiten Weltkrieg beim 1. Stuka-Geschwader der Luftwaffe diente und nach der Gefangenschaft in Lüneburg/Munsterlager nach Quelle entlassen wurde, »heuerte« bei der Dienststelle in Bielefeld an und machte fortan alle Umzüge mit.
»Der Fuhrpark war in Bielefeld am Nebelstor untergebracht,« erinnert sich Karl Mölling noch gut. Von dort aus ging es nach Offenbach. »Das war 1947/48, erst 1951 war dann der Standort Bonn.« Dr. Hans-Christoph Seebohm (1903 bis 1967) war der erste Verkehrsminister, der dem Kabinett von Konrad Adenauer angehörte. Von 1949 bis 1966 bekleidete Seebohm das Amt. Ihm folgte der SPD-Mann Georg Leber, der von 1966 bis 1972 Verkehrsminister war, bevor er als »Vater der Soldaten« Verteidigungsminister wurde. Und schließlich Kurt Gscheidle (1924 bis 2003), der von 1974 bis 1980 als Minister für Verkehr das Amt leitete. »Der fand es gar nicht gut, dass damals Post- und Verkehrsministerium zusammen gelegt wurden.«
»Holland, Österreich, Italien und Luxemburg, überall bin ich gewesen.« Als Dienstfahrzeug ist Karl Mölling mit dem »Mercedes 190« und dem »Opel Kapitän L« durch die Lande kutschiert. »Alles Benziner, weil die schneller waren,« schwärmt der 90-Jährige, der seinen Dienst erst 1980 quittierte und in den verdienten Ruhestand ging. »Wir waren 20 Fahrer im Ministerium, hatten reichlich auch in Bonn zu tun, um auch die Abteilungsleiter zu den Botschaften zu chauffieren. Langeweile hatte ich nie.« Mehr als 80 000 Kilometer jährlich hat Karl Mölling in dieser Zeit zurückgelegt. »Und stets unfallfrei,« freut sich der ehemalige Cheffahrer. »Genommen wurde längst nicht jeder. Vor der Einstellung musste man eine Probefahrt absolvieren und Straffreiheit war eine absolute Voraussetzung für den Job«. Bevor Karl Mölling zum Cheffahrer avancierte, hatte er noch einen vierwöchigen Sonderlehrgang zu absolvieren.
28 Jahre lang hatte der Ministerfahrer eine Dienstwohnung in Bonn. Für seine zweite Frau Hanna, mit der er seit 1974 verheiratet kein leichtes Unterfangen, bangte sie doch bei »mörderischen Touren« um ihren Mann. »In einem Tag München und wieder zurück, das war schon Stress,« sagt Karl Mölling, der auch hin und wieder einen der hohen Herren zum Kaffeetrinken mit nach Hause brachte. »Wenn es an der Strecke lag, haben wir schon mal einen Abstecher nach Brackwede gemacht«.

Artikel vom 13.10.2006