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Eine Milliarde Euro ist weg

Alitalia wieder tief in roten Zahlen -ÊZukunft auf Messers Schneide

Rom (Reuters). Die Zukunft der seit Jahren angeschlagenen italienischen Fluggesellschaft Alitalia steht auf des Messers Schneide. Italiens Ministerpräsident Romano Prodi zeichnete gestern bei einem Treffen mit Gewerkschaftern nach Angaben eines Teilnehmers ein dramatisches Bild.
Kommt Alitalia unter die Räder? Die Lage der angeschlagenen italienischen Fluggesellschaft wird immer dramatischer. Die Linie erlebt derzeit die schwierigste Zeit ihrer Geschichte. Foto: dpa

Der Regierungschef sehe die Situation der seit Jahren verlustreichen Airline »völlig außer Kontrolle« geraten. Es bleibe nur noch bis Januar Zeit, um den finanziellen Kollaps abzuwenden, sagte Prodi einem Gewerkschafter zufolge. »Alitalia durchlebt gerade den schwierigsten Moment seiner Geschichte«, zitierte er den Regierungschef. Prodi wollte mit Gewerkschaftsvertretern die Sanierung des Unternehmens beraten.
Die italienische Regierung hatte Ende September angekündigt, sich jetzt aktiv in die bislang erfolglosen Sanierungsbemühungen einzuschalten. Alitalia gilt in dem hart umkämpften europäischen Luftfahrtmarkt als zu teuer. Dem Unternehmen fehlen starke Partner sowie eine Strategie gegen die Billigflugkonkurrenz. Offen ist noch, wie die Regierung das Überleben der nationalen Fluggesellschaft sichern will. »Wir werden kein Geld in eine Schublade legen, aus der es dann einfach verschwindet«, sagte Transportminister Alessandro Bianchi dem Fernsehsender Sky Italia Television.
Prodi will noch in dieser Woche den als gescheitert geltenden Alitalia-Chef Giancarlo Gimoli treffen. Der Staat hält seit einer kräftigen Kapitalerhöhung und dem Einstieg von Investoren im vorigen Jahr noch 49 Prozent an Alitalia. Die damalige Finanzspritze von einer Milliarde Euro aus der Kapitalmaßnahme bewahrte die Fluggesellschaft vor dem Konkurs. Dennoch gelang es Cimoli nicht, das Blatt zu wenden. Mehrere Minister fordern inzwischen seine Ablösung.
Alitalia häufte im ersten Halbjahr erneut einen Verlust von 221 Millionen Euro an. Anstatt der ursprünglich für 2006 angestrebten schwarzen Zahlen wird jetzt mit einem Verlust von mindestens 300 Millionen Euro gerechnet. Cimoli räumte in einem vorige Woche vorab bekannt gewordenen Bericht an den Verkehrsausschuss des italienischen Parlaments sein Scheitern ein. Alitalia sei derzeit nicht in der Lage, rentabel zu fliegen. »Eine Erhöhung der Flugstunden würde höhere Verluste zur Folge haben«, offenbarte er.
Verantwortlich macht Cimoli die aus seiner Sicht lähmende Übermacht der Gewerkschaften und ihre zahlreichen Streiks, die hohen Treibstoffkosten sowie die erfolgreiche Billigflugkonkurrenz, die von den Flughäfen günstigere Konditionen bekomme als die nationale Fluggesellschaft.
Die Suche nach einem Partner blieb bislang erfolglos. Alitalia gehört dem Luftfahrt-Bündnis Skyteam um Air France-KLM und Delta Air an. Spekulationen über eine möglicherweise engere Verbindung wies Air France erst jüngst wieder zurück. Branchenexperten rechnen nicht damit, dass sich kurzfristig eine andere Fluggesellschaft als Partner findet. »Air France hat sehr deutlich abgewunken. Und Lufthansa hat überhaupt keine Verbindung zu Alitalia«, sagte ein Luftfahrtanalyst einer deutschen Großbank. »Ich schließe nicht aus, dass Alitalia tatsächlich erst einmal gegen die Wand fahren und in Konkurs gehen muss, um die Chance auf einen Neuanfang zu haben. Dann allerdings braucht das Unternehmen ganz andere, also günstigere Kosten- und Tarifstrukturen.«

Artikel vom 11.10.2006