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Den großen Zeigefinger gibt's bei Nöstlinger nicht

Wiener Erfolgsautorin wird morgen 70 Jahre alt

Von Irmgard Schmidmaier
Wien (dpa). Zur Autorin wurde sie aus Langeweile: Nur der Haushalt und die beiden Kinder, das war Christine Nöstlinger einfach nicht genug. Sie zeichnete und schrieb die Kindergeschichte »Die Feuerrote Friederike« - und hatte Erfolg.

Bald gehörte die gebürtige Wienerin, die morgen 70 Jahre alt wird, zu den großen Namen der internationalen Kinderliteratur. Sie schlug einen neuen, witzig-antiautoritären Ton an und ersetzte den erzieherisch drohenden Zeigefinger durch Humor und Fantasie. Dabei nimmt sie die Kinder stets Ernst in ihren Nöten und Sorgen, lässt ihre Figuren aber immer einen Ausweg finden. Als 2003 der Astrid-Lindgren-Preis für Kinderliteratur verliehen wurde, ging er an Nöstlinger - als »eine wahre Nichterzieherin« und für weit mehr als 100 Kindergeschichten voll lustiger, frecher, oft aufmüpfiger kleiner Helden, die ihre Leser überraschende Abenteuer miterleben lassen. Geschichten wie »Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse« und »Gretchen Sackmeier« sind Klassiker geworden. In mehr als 20 Sprachen sind ihre Erzählungen, Bilderbuchgeschichten und Romane erschienen.
Ihre Helden sind Außenseiter und Kinder, mit denen niemand gerne tauschen will. Doch mit Witz, Fantasie und feinem Gespür für die kindliche Seele macht Nöstlinger diese Kinder zu strahlenden Gestalten. »Tiefernste Heiterkeit« bescheinigen die Kritiker der Autorin und loben ihre Meisterschaft in der »großen Kunst, für kleine Leute zu schreiben«. Eine einfache, heile Welt gaukelt Nöstlinger ihren Lesern dabei niemals vor.
Sie traut ihren jungen Lesern auch zu, mit schwierigen Fragen zurecht zu kommen. So fließen etwa in »Maikäfer, flieg« eigene Kindheitserfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg mit ein. Ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, führt Nöstlinger ihre Fans in problematische Themen ein. In einfacher, manchmal mit Dialekt-Ausdrücken oder Neuschöpfungen durchsetzten Sprache schildert sie genau Milieus.
Die Tochter eines Uhrmachers und einer Kindergärtnerin aus Wien wollte eigentlich Malerin werden und studierte zunächst an der Akademie für angewandte Kunst. Sie heiratete den Journalisten Ernst Nöstlinger und bekam zwei Kinder. Schon im Erstling »Die feuerrote Friederike« mit eigenen Illustrationen von 1970 schrieb sie mit ihrer antiautoritären Grundhaltung und dem Engagement für kindliche Freiheit gegen den belehrenden Tonfall traditioneller Kinderliteratur an.

Artikel vom 12.10.2006