11.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Brummis sollen
nicht überholen

Spediteure: »Das ist Blödsinn«

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Landesverkehrsminister Oliver Wittke (CDU) will mit Überholverboten die »Elefantenrennen« auf Autobahnen stoppen. Der Chef der Spediteure, Manfred F. Boes aus Bielefeld, hält dies für »ausgesprochenen Blödsinn«.

Das plötzliche Ausscheren von Lastwagen führe immer wieder zu schweren Unfällen, erklärte Wittke. An jedem fünften Unfall in Nordrhein-Westfalen seien »Brummis« beteiligt. »Dass die Elefantenrennen ein Sicherheitsrisiko darstellen, ist ohne Zweifel«, betonte der Verkehrsminister gestern. Außerdem behinderten die Manöver den Verkehrsfluss auf den Autobahnen und lösten Staus aus. Deshalb hält Wittke ein Überholverbot für Lastwagen zumindest auf zweispurigen Autobahnen für sinnvoll.
Hierzu dürfe es nicht kommen, mahnte der Präsident des Weltverbandes der Spediteure FIATA, Manfred Boes: »Lastwagen, die zwölf Tonnen Fracht geladen haben, müssen schneller fahren dürfen als die mit 24 Tonnen an Bord.« Lastwagen seien durchschnittlich mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 75 Kilometer pro Stunde unterwegs. Dürften schnellere die langsameren nicht mehr überholen, würde die pünktliche Auslieferung der Waren gefährdet, sagte Boes dieser Zeitung. Außerdem werde dann die rechte Spur vollständig durch Sattelzüge blockiert.
Auch der ADAC hält ein generelles Überholverbot für falsch. »Der Großteil der Unfälle mit Lkw ist nicht auf Elefantenrennen, sondern auf Übermüdung und Abgelenktheit der Fahrer zurückzuführen«, sagte Ralf Collatz vom ADAC-OWL. Nur auf Strecken mit einer nachgewiesenermaßen hohen Unfallhäufigkeit könne ein Überholverbot helfen. So sei auf der A 40 zwischen Moers und der holländischen Grenze der Anteil der Kollisionen mit »Brummis« von 43 auf 30 Prozent gesunken. Collatz: »Das setzt aber voraus, dass das Überholverbot regelmäßig überwacht wird.«
Für »praxisfremd« hält der ADAC den Vorschlag Wittkes, die Mindestgeschwindigkeit von Lastwagen von 60 auf 80 anzuheben. Zum einen gebe es die »untermotorisierten Schrottlauben aus dem Osten« kaum noch, und zum anderen sei es technisch schwer machbar und auch gar nicht wünschenswert, dass beispielsweise mit Windrädern beladene Schwertransporter selbst auf Steigungsstrecken mit Tempo 80 rollen sollen.
Nach Schätzungen des Landesbetriebs Straßenbau NRW wird der Personenverkehr bis 2015 um 25 Prozent und der Güterverkehr sogar um 63 Prozent wachsen. Über die A2 in Ostwestfalen rollen schon jetzt jeden Tag knapp 90 000 Fahrzeuge, auf den Schwerlastverkehr entfallen davon knapp 30 Prozent. Bei den Unfällen mit Lkw starben in Nordrhein-Westfalen 2005 zehn Menschen, 73 wurden schwer verletzt. S. 4: Kommentar

Artikel vom 11.10.2006