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Lebensmittel: mehr Kontrolle

Seehofer will Konsequenzen aus Gammelfleischskandalen ziehen

Berlin (dpa/Reuters/WB). Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) hat angesichts mehrerer Gammelfleischskandale eine grundlegende Reform der Lebensmittelkontrollen angekündigt.


Schon länger wirbt Nordrhein-Westfalen bei den anderen Bundesländern für die Einführung von Gebühren bei überprüften Lebensmittelbetrieben. Zudem soll die Zahl der Kontrolleure von 200 auf 400 verdoppelt werden.
Der Bundesgesundheitsminister will bundeseinheitliche Standards bei Lebensmittelkontrollen schaffen. »Lebensmittel haben keine Grenzen«, sagte Seehofer gestern in Berlin. Er kritisierte, dass in fast allen Bundesländern nach dem Gammelfleisch-Skandal keine schärferen Kontrollen umgesetzt worden seien. »Es ist unsere Aufgabe sicherzustellen, dass die Qualität der Kontrollen in den Ländern hoch ist.«
Sowohl Hersteller als auch Kontrolleure legten großen Wert auf bundesweite Standards, sagte der CSU-Politiker. Noch in diesem Jahr solle deshalb ein Reformpaket auf den Weg gebracht werden, kündigte Seehofer an.
Schwerpunkt sei der Aufbau eines bundesweiten Qualitätsmanagements. So soll etwa bei Lebensmittelkontrollen in den Betrieben künftig das Vier-Augen-Prinzip gelten, Kontrolleure sollen regelmäßig ausgewechselt werden. In einer bundesweiten Datei sollen alle Informationen erfasst werden, um Missstände früh zu erkennen. »Ich bin sehr entschlossen, diesen Weg zu gehen«, sagte der Minister. Erste Signale etwa aus Bayern oder Nordrhein-Westfalen ließen auf eine rasche und einvernehmliche Regelung mit den Ländern hoffen.
Seehofer sagte, nach Problemen in den vergangenen Monaten bei Kontrollen besonders im Handel müssten personelle Ausstattung, Dichte und Häufigkeit der Kontrollen nun verbindlich festgelegt werden. Nötig sei eine Aufstockung der Zahl der Kontrolleure. Bei Krisen sei eine wissenschaftliche Beratung des Bundes wie etwa bei der Vogelgrippe vorgesehen.
Isabelle Mühleisen von der NRW-Verbraucherzentrale begrüßte gegenüber dieser Zeitung, dass Seehofer nachdrücklich auf den Reformbedarf hingewiesen habe. Es müsse jetzt etwas getan werden. »Die Gesetzgebungskompetenz bei den Lebensmittelkontrollen liegt bei den Ländern. Es ist jedoch richtig, dass der Minister jetzt Druck auf die Länder macht, damit die notwendigen Reformen endlich umgesetzt werden«, erklärte Mühleisen.
Die Vorsitzende der Verbraucherministerkonferenz der Länder, Margit Conrad (SPD), sprach dagegen von einem Ablenkungsmanöver. Seehofer stütze sich bei seinen Vorschlägen auf Vorarbeiten der Länder und lenke von Aufgaben des Bundes ab, sagte die rheinland-pfälzische Ministerin.
Seehofer sagte, der Bund wolle nicht die Zuständigkeit der Länder in Frage stellen, sondern koordinieren und unterstützen. Er setze auf eine einvernehmliche Lösung. Der Bundesrat solle Ende 2006 oder Anfang 2007 darüber entscheiden.
Bärbel Höhn, stellvertende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, sagte, die strukturellen Probleme blieben ungelöst. »Die Kontrollen bleiben in kommunaler Hand, wo eine besondere Nähe zu den kontrollierten Unternehmen besteht.«

Artikel vom 11.10.2006