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»Mythos« lockt Lundström

TSVE-Triathlet betritt Neuland: Ironman-Premiere auf Hawaii

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Der polynesische Halbgott Maui tat gut daran, die Inseln - so will es die Legende - am Angelhaken aus dem Pazifik zu ziehen. Das hawaiianische Archipel bietet atemberaubende Natur wie selten auf der Erde; Südsee-Zauber mit weißen Sandstränden, schneebedeckten Vulkanen und üppig grüner Vegetation in den Tälern. Doch es sind weder Sonne noch Wellen, weder Hula noch Palmen, die Ingmar Lundström ins Paradies locken. »Vergleiche ich Schweden und Hawaii, würde ich lieber nach Schweden fahren,« schmunzelt der TSVE-Triathlet vor dem Abflug am Samstag nach Kailua-Kona, Big Island. Im Woodstock des Triathlonsports wird am Samstag, 21. Oktober, der 28. Hawaii-Ironman gestartet.

Am Tag X ist für die meisten der Weg das Ziel. Siegen wollen viele, gewinnen aber alle. Auch Ingmar Lundström, der im Country Club Villas Quartier bezieht, möchte aus der Legende persönliche Realität machen. Der Mythos Hawaii mit seiner archaischen Kraft ist es, dem sich der 34-Jährige nicht entziehen kann. »Ich habe in meinem Leben schon viele Wettkämpfe bestritten,« sagt Lundström, der seit 1988 läuft und zwei Jahre später den Triathlon für sich entdeckte. Doch inzwischen verspüre er tatsächlich eine lange nicht gekannte Nervosität. »Die Last wird aber täglich weniger. Emotional sehe ich mich ein bisschen wie 1992 vor meinem ersten Hermannslauf. Damals habe ich mich mehr gequält als für den Sieg«. Der sich dann 1999 einstellte.
Eigentlich ist Ingmar Lundström erst ein »halber« Ironman. Denn um das Hawaii-Ticket zu lösen, genügte ihm am 4. September 2005 im exklusiven Umfeld des 1. Monaco Half Ironman mit 1,9 km Schwimmen, 90 km Rad fahren und 21 km Laufen ein erster Platz in der Altersklasse M 30. »Ich habe noch nie einen Wettkampf bestritten, der längerte dauerte als fünf Stunden,« sagt der Filialleiter des Active Sportshop Gütersloh. Mit dieser Reise ans exotische Ende der Welt betritt der Isselhorster Routinier also aus mehrerlei Gründen »absolutes Neuland«. Daher sei die Anspannung auch »größer als bei anderen Rennen. Hawaii ist schlecht ausrechenbar.« Ingmar Lundström wirkt angesichts eines durchschnittlichen wöchentlichen Trainingspensums von rund zwölf Kilometer Schwimmen, 500 Rad- und 110 Laufkilometern (»Ich kann mir nichts vorwerfen«) nicht nur körperlich bestens vorbereitet auf den Verlauf des 226 Kilometer langen Selbsterfahrungstrips am Wendekreis des Krebses, der möglichst die »Krönung« seiner bisherigen Karriere darstellen soll. Seine einsamen Radtouren, die ihn bis auf den Köterberg führten, stellten gleichermaßen eine mentale Reifeprüfung dar. »Da bist du viel mit dir beschäftigt,« betrachtet Ingmar Lundström Hawaii vorab als Erlebnis »im psychischen Grenzbereich. Ich werde mich zwischendurch immer belohnen.«
Auch wenn er sich grundsätzlich »auf das Schlimmste« einstellt, Krämpfe oder gar einen Platten; sein »Wunschdenken« sieht so aus, am Ende eines langen Ironmania-Tages das Ziel am Alii Drive nach Neunstundenirgendwas unter den besten 99 zu erreichen. Genauso fröhlich, wie er zu Beginn den Pazifik durchpflügt hat. »Der einzige, der etwas von mir erwartet, bin ich selber. Finishen steht über allem. Das Wort Aussteigen existiert an diesem Tag nicht. Egal wie schlecht es läuft. Das würde ich mir nicht verzeihen. Halb Gütersloh fiebert doch mit mir mit.« Und mit seinen Freunden Wolfgang Ermeling (Tri-Sport Team Verl), Ulrich Christmann und Christoph Rahmann (beide TriSpeed Marienfeld), die bereits am Freitag den Flieger besteigen.
Mythos Hawaii: Nach der 3,8 km langen Schwimmstrecke begegnet der 180 Kilometer lange Radsplit durch eine aus Feuer und Wasser geborene Urlandschaft den Athleten mit einer gewaltigen Unberechenbarkeit. Von der Kailua Pier führt der Kurs die ersten zwei Kilometer die von 50 000 Zuschauern gesäumte Palani Road bis zur Abzweigung auf den Queen Kaahumanu Highway hinauf.
Auf dieser flimmernden Asphaltpiste, die sich in sanftem Auf und Ab durch eine psychedelische Lavalandschaft schlängelt, beginnen die einsamsten Stunden im Triathlon-Leben. Die Temperaturen in den Lavafeldern klettern auf 50 Grad, und der gefürchtete Mumuku-Fallwind, den die auf dem 4169 Meter hohen Mauna Loa hausende Feuergöttin Pele den Athleten entgegen bläst, wirkt wie ein heißer Fön. »Ich werde mir das Rennen so einteilen, wie ich es brauche, und möchte mich nicht auf dem Rad verblasen. Ich bin nicht bereit, über die Leistungsgrenze zu gehen. Ich möchte nicht auf dem letzten Zahnfleisch ankommen.« Er setzt auf die »Trumpfkarte Laufen. Da brechen viele Leute ein, verlieren nicht Minuten, sondern Stunden.«
Am Tag, nachdem er zum »echten« Ironman gekürt wurde, verlassen Ingmar und seine Frau Katrin Big Island in Richtung Maui. Am Strand, beim Schnorcheln, wird Hawaii vielleicht doch noch zum Paradies für die Skandinavien-Fans. »Das Rad und die Laufschuhe packe ich nicht mehr an,« hofft Lundström im klaren Wasser vielmehr auf Bekanntschaft mit Riesenschildkröten.
Die Wetterfrösche verheißen übrigens einen feuchten Wettkampftag. »Ich fliege doch nicht nach Hawaii, um 23 Grad und Regen zu haben,« empört sich Ingmar Lundström über die grauen Wolken im Paradies. Sein sonniges Gemüt wird es schon richten. »Windstill soll es sein, blauer Himmel, klare Sicht.« So möchte er seinen ersten Ironman in Erinnerung behalten. Und Hawaii. Denn: »Ich glaube, das bleibt eine einmalige Sache.«

Artikel vom 12.10.2006