11.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wer kann schon jeden Tag ernten?

Alfons Rose betreibt in Willebadessen Deutschlands größten Champignon-Zuchtbetrieb

Von Bernhard Hertlein
Willebadessen (WB). Vier oder fünf verzinkte Metallkisten stapeln übereinander. Oben auf einer dicken Schicht Kompost und wenig Muttererde bildet sich ein weißer Flaum: Myzel und später Brut genannt. Jetzt ist in der 120 Quadratmeter großen Zelle Zeit für einen Klimawechsel. Dann sprießen in den Metallkisten in wenigen Tagen die ersten Champignons.
Maria Ernst pflückt schon zehn Jahre Bio-Champignons bei Rose.

In der einen von sechs Zellen, in der Landwirt Alfons Rose im Kreis Warburg im Willebadesser Ortsteil Eisen seine Champignon-Zucht betreibt, werden die Metallkisten gerade mit neuem, aus Osnabrück angelieferten Kompost gefüllt. Zugleich sind in einer anderen Zelle mehrere Pflückerinnen dabei, die fertigen Pilze in grüne Kistchen zu legen. Von hier werden sie spätestens am nächsten Tag bundesweit zu den Kunden im Biohandel ausgeliefert. Geerntet wird an 350 von 365 Tagen -Êinsgesamt 145 000 Kilo im Jahr. Damit ist Rose mit großem Abstand Deutschlands größter Anbauer von Bio-Champignons: »Welcher Landwirt kann schon fast täglich ernten?«
Begonnen hat alles vor elf Jahren. Damals erfuhr Rose von den Brüdern Engemann, die ebenfalls in Willebadessen eine Biolandwirtschaft betreiben und bundesweit Naturkostmärkte der Gruppe Dennree und den Bio-Großhandel beliefern, dass es in Deutschland einen Mangel an Bio-Champignons gibt. Die Lieferungen aus Holland und Ungarn können die Nachfrage kaum befriedigen.
Rose sieht seine Chance. Er besorgt sich Fachliteratur, belegt mehrere Lehrgänge in den Niederlanden. Zugleich legt er mit der Gründung der GbR Eulenhof, an der er selbst mit 50 und die Brüder Engemann jeweils mit 25 Prozent beteiligt sind, die rechtliche Basis. Die ersten Investitionen von gut einer Million D-Mark werden ohne staatliche Subvention finanziert, weil man darauf nicht warten kann. 1996 geht's los. Rose ist der erste deutsche Züchter von Bio-Champignons. Obwohl in der Zwischenzeit einige Wettbewerber folgen, verdoppelt er vier Jahre später die Produktionsfläche.
Heute beschäftigt Rose allein 16 Pflückerinnen je zur Hälfte in Teilzeit und auf 400 Euro-Basis. Sie werden nicht wie andere Erntehelferinnen in Polen angeworben, sondern stammen aus der Umgebung von Willebadessen. Besonders stolz ist Rose darauf, dass vier der 16 Pflückerinnen von Anfang an dabei sind. Inzwischen gibt es auch Pilz pflückende Maschinen. Doch der Schaden, den sie bei der Ernte anrichten, ist noch zu groß. Rose: »Das taugt nur für Dosenware.«
Die Ansprüche der Zucht an Temperatur, Feuchtigkeit, CO2-Gehalt und Frischluft ändern sich je nach Wachstumsstand. Rose steuert dies mit Hilfe eines ausgefeilten Computerprogramms. So kann gut 18 Tage nach Befüllung der Metallkisten die erste von zwei bis drei volle Ernten beginnen. Die dritte Ernte bringt nur noch etwa 40 Prozent der ersten Pflückung.
Nach Abschluss der Ernte wird der Kompost auf Äcker in Willebadessen ausgebracht. Das so erzeugte Stroh dient dem Osnabrücker Lieferanten zusammen mit Geflügel- und Pferdemist aus Bio-Betrieben zur Herstellung neuen Kompostes. »So bleibt alles in einem Kreislauf«, betont Rose. Für den Pflanzenschutz sorgen mechanische Fliegenfallen.
Nicht im Kreis, sondern steil nach oben haben sich in den vergangenen sieben Jahren allerdings die Energiepreise entwickelt. Alein für Gas musste der Landwirt im vergangenen Jahr knapp 17 000 Euro berappen. Dabei hat sich der Preis für Bio-Champingons in den vergangenen zehn Jahren nicht erhöht. Rose reagierte rasch: Das im Februar 2006 in Betrieb gegangene Blockheizkraftwerk wird mit selbst hergestelltem Rapsöl betrieben. Es liefert Wärme für Haus und Betrieb; überschüssiger Strom wird ins allgemeine Netz eingespeist.
Angebaut wird übrigens ausschließlich der braune Champignon. »Der weiße«, sagt Rose, »ist nicht nur hochgezüchtet, sondern auch weniger schmackhaft.« Allerdings ist die Erntemenge bei den Braunen etwas geringer.
Neben der Pilzzucht betreibt Rose weiterhin noch den väterlichen Hof mit 50 Hektar Getreide und 12 Hektar Buschbohnen, Möhren und anderem Gemüse. Außerdem erledigt er für andere Landwirte die Buchhaltung. Ist die Arbeit nicht zu viel? Rose lacht: »Die Abwechslung sorgt dafür, dass auch ein Zehn- bis Zwölfstunden-Tag nicht zu belastend ist.«
www.bio-pilze-eulenhof.de

Artikel vom 11.10.2006