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Skisport damals - ganz ohne Dreitausender

Bielefelder Brettl-Club hält Rückschau zum 50-Jährigen

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Die Erfolgsgeschichte umfasst 120 Seiten - oder 50 Jahre. Vorsitzender Karl Zimmer, Norbert Malzer und eine Gruppe engagierter Ski-Kameraden haben in detektivischer Feinarbeit die Chronik des Bielefelder Ski-Clubs zusammengetragen. Entstanden in weißen Traumwintern, dokumentiert sich in der Chronik zugleich das Erfolgsgeheimnis des Clubs, der längst als Mehrspartenverein schnellen Trends im Freizeitverhalten trotzt und konstant 200 Mitglieder zählt.

Ein Ski-Club in Bielefeld? Ohne Berge, ohne Skilifte? Zugegeben, nach einigen eher mageren Wintern hätte sich die Frage nach der »Existenzberechtigung« vielleicht gestellt - wäre der Club nicht längst eine vielfältige Gemeinschaft von Skisportlern, Läufern, Turnern und Radsportlern. Seit 14 Jahren ist Karl Zimmer (67) ihr erster Vorsitzender. Im Vorstand tätig ist er seit 32, im Club eingetragen seit 48 Jahren. Zimmer gehört damit ebenso wie Gründungsvorsitzender Kurt Mondry zu den Zeitzeugen, die all die nachhaltigen Veränderungen im Freizeitverhalten unserer Gesellschaft miterlebten und bis heute mit leuchtenden Augen von Skirennen am Eisernen Anton oder Pistenbau an der Schwedenschanze berichten.
»Damals standen die Menschen zusammen, hakten sich unter und unternahmen gemeinsam etwas«, erinnert sich Zimmer: »Mit Wohlstand und Motorisierungswelle in den Siebzigerjahren brach vieles auseinander.« Um so wichtiger sind für Zimmer und sein engagiertes Team von Abteilungsleitern und Trainern heute, Teamgeist und Gemeinschaftssinn als Baustein zum Vereinserfolg weiter zu forcieren und mit immer neuen Aktionen und Angeboten zu untermauern. Bestes Beispiel: Der alljährlich im November stattfindende Ski-Basar ist nicht nur ein Publikumsmagnet. Zimmer: »Für die 60 Helfer um die Dreitagesveranstaltung eine echte Herausforderung und Energieleistung.«
Der Blick in die wunderbare Chronik begeistert besonders Kinder der Fünfzigerjahre. Da war diese Gruppe von zehn Skibegeisterten, die sich in Zeiten von mindestens wöchentlichen Skibussen ins Sauerland und schneereichen Wintern am Teuto im Café Brinkkötter an der Werther Straße im Februar 1956 getroffen hatten. Sie nannten sich Idealisten, dabei war Skisport in den Fünfzigern durchaus populär. Von Gletschern und Dreitausendern wurde nicht einmal gesprochen, vielmehr auf Galgenheide, Schuttberg oder jedem erdenklichen Hang am Teuto gekurvt. Skiunterricht am Wildgehege Olderdissen gab es auch. Dazu jede Menge toller Ausflüge in Zeiten von Lastexhosen und ersten Kantenskiern. Eine ganz besondere Mischung aus Bescheidenheit und Unternehmungsgeist muss den Reiz jener Jahre ausgemacht haben, glaubt Karl Zimmer.
Der Ski-Club entwickelte sich prächtig. Kurt Mondry, der erste Vorsitzende, bekam schon 1960 eine Ehrenurkunde für seine Verdienste um den »heimatlichen Skilauf«. Der Club war bekannt. Die sportlichen Erfolge waren respektabel. Die ersten alpinen Stadtmeisterschaften an der Schwedenschanze sicherten sich 1963 Sepp Gutmann und Monika Kirsten. Erst 1979 mussten die Rennen am Bußberg wegen Schneemangel eingestellt werden. Heute werden Meistertitel im Sauerland in Bödefeld ausgefahren.
Fest verbunden ist der BSC indes nicht nur mit alpinem Skisport am Teutoburger Wald, sondern auch mit dem Hermannslauf. Der wurde 18 Jahre lang vom BSC ausgerichtet, bis er an den TSVE überging. Als Väter des Hermannslaufes gelten Peter Gehrmann, Dr. Wolfgang Schlüter, Klaus Neumann und Klaus Blome. Die waren als begeisterte Skilangläufer zweimal beim Wasalauf in Schweden, trainierten als Ausdauersportler auf dem Hermannsweg und kamen irgendwann auf die bahnbrechende Volkslaufidee über 35 Kilometer - heute einer der beliebtesten Volksläufe bundesweit. Der erste Lauf startete am 16. April 1972 mit 700 Teilnehmern. Eine unglaubliche Herausforderung an die Logistik, erinnert sich Zimmer. Der EDV-Experte gehörte zum Team, das früh versuchte, organisatorisch den Kollegen Computer einzusetzen. Ab 1988, erinnert man sich, war der mit 180 Mitgliedern kleine BSV nicht mehr in der Lage, mehr als 3500 Meldungen zu händeln.
Echten Breitensport leistet der BSV dagegen in vielen anderen Sparten neben dem alpinen Skisport und dem Snowboarden, dem Langlauf oder Slalom auf zwei Brettern. Familienwanderungen pflegen ebenso die Gemeinschaft wie die Radtouristik. Junioren und Senioren holen sich Titel auf Bezirks- und Landesebene. Und immer mehr Mitglieder (allein in den letzten Jahren kamen 80 neue Aktive hinzu) holen sich beim BSV Fitness im Gemeinschaftsgefühl von Sport an der frischen Luft. Orientierungslauf und Nordic Walking sind angesagt. Dazu gesellt sich eine rührige Turngruppe.
Für die Treffen gibt es seit 1975 eine eigene »Skihütte« an der Windelsbleicher Straße, Ausgangspunkt für vielfältige Unternehmungen. Dass man sich mit Skisport ausgezeichnet fit halten kann, beweist am besten Wolfgang Schäfer. Der ist 73 Jahre, war erst 2004 Deutscher Meister seiner Altersklasse im Slalom und startet bis heute aktiv im zebragestreiften deutschen Renndress für den BSV. Nur der Start an der Schwedenschanze ist Schnee von gestern.

Artikel vom 14.10.2006