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Musizieren, als ginge
es um Leben und Tod

Christhard Gössling aus Bielefeld ein Berliner Philharmoniker

Bielefeld (WB). Auf die musikalische Nachwuchsförderung bezogen, scheint Bielefeld ein gutes Pflaster zu sein. Denn gleich mehrere Musiker, die am Teuto aufwuchsen, spielen heute bei den renommierten Berliner Philharmonikern. Einer von ihnen ist Christhard Gössling (49). Der Soloposaunist gastiert am kommenden Sonntag im Rahmen der neuen Kammerkonzertreihe Müller mit den Blechbläsern der Berliner Philharmoniker in der Oetkerhalle. Zuvor sprach Uta Jostwerner mit dem Musiker.

Wo liegen ihre musikalischen Wurzeln?Christhard Gössling: Ich bin in Eckhardtsheim aufgewachsen. Mein Vater war dort evangelischer Pfarrer (Jürgen Gössling, Anm. d. Red.) und Leiter des Bläserkreises - daher die Verwurzelung bläserischer Art. Auch Werner Benz vom Posaunenwerk der evangelischen Kirche von Westfalen habe ich viel zu verdanken. Er war mein Lehrer und hat dafür gesorgt, dass ich in verschiedenen kleinen Ensembles spielen konnte, die am Wettbewerb »Jugend musiziert« teilnahmen. Zwischen meinem 13. und 17. Lebensjahr habe ich auf Bundesebene mehrfach erste Preise gewonnen.

Sie haben am Hans-Ehrenberg-Gymnasium in Sennestadt Ihr Abitur abgelegt. Kennen Sie Hera Lind?Christhard Gössling: Ja, wir waren zusammen im Deutsch-Leistungskurs und sehen uns noch heute bei Klassentreffen. Ich halte sie für eine gute Sopranistin. Ein paar Klassen über mir war auch Erwald Lienen, späterer Trainer von Arminia Bielefeld. Mit ihm bin ich noch immer befreundet.

Interessiert Sie die Arminia?Christhard Gössling: Ich verfolge die Spiele noch immer. Lange Zeit habe ich damals auch geschwankt, ob ich Musiker oder Berufsfußballer werden sollte. Dann habe ich mich für den Musikerberuf entschieden, weil ich dachte, dass ich als Musiker länger tätig sein kann.

Einige Ihrer heutigen Kollegen haben erste Orchestererfahrungen bei den Jungen Sinfonikern gemacht. Sie auch?Christhard Gössling: Nein, ich war im Landes- und Bundesjugendorchester und bin dort stark geprägt worden. Aber ich habe einmal als Solist das Posaunenkonzert von Georg Christoph Wagenseil mit den Jungen Sinfonikern gespielt. Das muss irgendwann in den 70er Jahren gewesen sein.

Sie waren dann mit 13 Jungstudent an der Musikhochschule in Detmold, mit 21 Jahren bereits Soloposaunist im Gürzenich-Orchester Köln und mit 27 in gleicher Position bei den Berliner Philharmonikern. Was macht die Faszination dieses Orchesters aus?Christhard Gössling: Es ist diese bedingungslose Hingabe. Jeder, vom ersten bis zum letzten Pult, spielt, als ginge es um Leben und Tod. Das hat mich von Anfang an fasziniert, diese Ansammlung von Musikern, die alle das gleiche Engagement mitbringen.

Sie haben unter berühmten Dirigenten gearbeitet. Gab es Unterschiede?Christhard Gössling: Ich habe noch fünf Jahre unter Karajan arbeiten dürfen, dann die gesamte Abbado-Zeit mitgemacht und erlebe jetzt Simon Rattle. So unterschiedlich sie auch waren, allen gemeinsam ist, dass sie sich vollkommen reinhängen. Herbert von Karajan, einen Mann, der sich in der Öffentlichkeit ja gerne selbst inszeniert hat, habe ich erlebt, wie ihm bei Proben die Tränen herunterliefen, so ergriffen war er von der Musik.

Sie sind gleichzeitig als Professor für Posaune an der Hochschule für Musik Hanns Eisler tätig und seit 2000 auch Rektor der Hochschule. Wie bewältigen Sie die Doppelbelastung?Christhard Gössling: Das Spielen im Orchester ist für mich eine Kraftquelle.

Was bedeutet es Ihnen, ein Konzert in Bielefeld zu geben?Christhard Gössling: Ich freue mich auf die tolle Akustik in der Oetkerhalle und werde bei dieser Gelegenheit meinen Pflichten als Sohn nachkommen und meine Mutter wieder einmal besuchen, die noch immer in Eckhardtsheim wohnt.

Artikel vom 12.10.2006