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Mit 22 Jahren schon ein Alter

Sebastian Schweinsteiger und seine neue Rolle im deutschen Mittelfeld

Von Klaus Lükewille
Bratislava (WB). Er mag keine Sprüche. Und er untertreibt gern, der Bastian Schweinsteiger. Denn er sagt sehr oft »ein bisschen«, meint damit aber immer ein bisschen mehr. Ist das wirklich nur pure Bescheidenheit - oder auch ein Schuss Ironie? Bei einem wie Schweinsteiger weiß man das nie.

Denn dieser Bayern-Bursche, der grinst dabei ganz frech, wenn er feststellt: »Ich schieße gern auf das Tor. Weil ich das ja ein bisschen kann.« Wie zuletzt im Rostocker Ostsee-Stadion, als er gegen Georgien das 1:0 erzielte.
Da servierte ihm Kapitän Michael Ballack die Kugel genau auf den Fuß. Rummms, und drin war das Ding. Kein Zufalls-Volltreffer, sondern ein echte »Marke Schweinsteiger«. Diese meisterlichen Tore hat er schon mehrfach abgeliefert - weil er ja »ein bisschen« schießen kann.
Schweinsteiger sagt dann noch, er sei ja auch schon »ein bisschen« dabei. Heute steht er in Bratislava in der Europameisterschafts-Qualifikation gegen die Slowakei vor seinem 40. Einsatz. Da wird es langsam Zeit, etwas mehr Verantwortung zu übernehmen: »Ich versuche halt, die jungen Leute zu unterstützen«, erklärte der Münchner nach dem 2:0 gegen Georgien.
Hört sich ein bisschen seltsam und altklug an, denn Schweinsteiger ist ja auch erst gerade mal 22. »Aber ich habe schon viel Erfahrung sammeln dürfen. Bei den Bayern. Und in der Nationalmannschaft.« Fünf Profi-Serien stecken schon in seinen Beinen, mit denen er immer auf dem Boden bleiben will: »Ich werde mich nie und nimmer mit lauten Tönen oder über die Medien bei den Trainern anbieten. Das ist nicht meine Art. Ich will auf dem Fußballplatz überzeugen.«
Bei der WM schaffte Schweinsteiger das aber ausgerechnet in den entscheidenden Spielen nicht. Im Viertelfinale gegen Argentinien nahm ihn Bundestrainer Jürgen Klinsmann vorzeitig raus, im Halbfinale gegen Italien durfte der Mittelfeldmann erst nach 73 Minuten rein.
Auch zu Hause, in München, galt Schweinsteiger lange Zeit nur als Wackel- und Wechselkandidat. An guten Tagen ein eleganter Zauberer, in schlechten Momenten ein fahrlässiger Künstler, der die Bälle leichtfertig verspielte. Felix Magath bestrafte ihn immer wieder. Er holte ihn vom Rasen - oder stellte ihn gar nicht erst auf.
Das hat sich in der laufenden Saison geändert. Der Bayern-Trainer baut und vertraut auf Schweinsteiger, der jetzt zum Stammpersonal zählt. Ruhiger, reifer, routinierter ist er geworden. Schweinsteiger sagt es so: »Ich habe mich ein bisschen geändert.«
Aber nicht wirklich. Denn Fußball ist für ihn in erster Linie immer noch Spaß - und keine Arbeit. Das sieht man ihm in vielen Szenen an. Beim kicken, da holt er sich den Kick: »Es ist einfach toll, wenn man in so guten Mannschaften mitspielen darf.«
Damit meint er den FC Bayern und selbstverständlich auch die Nationalelf. Hier ist Schweinsteiger inzwischen ebenfalls aufgerückt. Ein bisschen, wie er es bezeichnen würde. Natürlich bleibt Michael Ballack der Kapitän und der Chef im Mittelfeld. Aber Schweinsteiger will und soll von sofort an keine Nebenrollen mehr übernehmen: »Ich werde versuchen, den Spielen meinen Stempel aufzudrücken.«
Das war eine leise Ankündigung, keine forsche Feststellung. Typisch Schweinsteiger. Dieser hoch begabte Spaß-Fußballer ist eben anders als die meisten anderen. Zumindest ein bisschen.

Artikel vom 11.10.2006