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Körpertheater als
Spiegel der Zeit

»Doubles« im Theaterlabor


Bielefeld (uj). Muss sie nun die Stöckelschuhe tragen, oder darf sie ihre Tanzeinlage auch ohne die drückenden und unbequemen Dinger vorführen? »Wer im Publikum der Meinung ist, dass der Mensch für die Kunst Schmerzen in Kauf nehmen muss, der hebe die Hand«, sagt Karin Wedeking. Im Zuschauerraum des Theaterlabors gehen die Hände hoch.
Noch sind es die wenigen von Choreograph Ismael Ivo, Regisseur Siegmar Schröder und ein paar auf ihren nächsten Auftritt wartenden Schauspielern und Tänzern. Sie sind mitten in den Proben zu »Doubles«, einer theatralischen Recherche, die das visionäre Theaterkonzept des großen Theaterrevolutionäres Antonin Artaud (1896-1948) mit dem Heute verbinden soll.
Artaud propagierte nicht nur das Spektakel der Inszenierung. Sein Ansatz ging von einem Theater der Grausamkeit und der Schmerzen aus, die dem Individuum durch Religion, Moral und Gesellschaft zugefügt wurden. »Schwerpunkt seiner Arbeit war dabei immer der Körper«, sagt Ivo, international gefragter Choreograph und künstlerischer Leiter der »Internationalen Tanzbiennale Venedig«. Seit längerem verbindet ihn ein Arbeitskontakt mit dem Theaterlabor. Mit »Doubles« kommt es zu einer ersten gemeinsamen Produktion.
Das Stück fragt nach den wunden Punkten des modernen Industrie- und Medienmenschen. Es handelt von Selbstentfremdung, Identitätsproblemen, von falsch gesteuerter Energie, die in Gewalt mündet. Ivo und Schröder wollen diese Befindlichkeiten in einem genreübergreifenden Stück auf die Bühne bringen, das zeitgenössischen Tanz, Schauspiel und experimentelle Musik verbindet. Ivo nennt die neue Form, die dabei entsteht, Körpertheater. »Es ist ein Spiegel der Zeit, ein Dokument«, meint er.
In enger Zusammenarbeit mit dem Inszenierungsteam erstellten Karl Godejohann und Willem Schulz die Musik. Tom Dombrowski zeichnet für die Ausstattung verantwortlich. Die Premiere findet am Donnerstag, 26. Oktober, 20 Uhr, im Theaterlabor statt. Weitere Aufführungen am 27. und 28. Oktober.

Artikel vom 10.10.2006