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Hat unsere Demokratie
überhaupt eine Zukunft?

»Forum Offene Wissenschaft« stellt spannende Fragen

Bielefeld (WB/mzh). Trauen wir den von uns gewählten Politikern zu, Deutschlands Probleme zu lösen? Brauchen wir überhaupt die Demokratie? Beim »Forum Offene Wissenschaft« (FOW) können sich politisch interessierte Bielefelder erneut mit einem hochaktuellen Thema befassen.

Prominente Politstars, wissenschaftliche Experten, kenntnisreiche Spezialisten stellen in den kommenden Monaten brandaktuelle Fragen und diskutieren mögliche Antworten mit ihrem Publikum. Das FOW, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, wendet sich an alle Bürger; der Eintritt ist frei. Für Studenten gelten die Vorträge, die stets montags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal 12 der Universität stattfinden, als reguläre Veranstaltungen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (55; FDP) und der Kirchenrebell Eugen Drewermann (66) sind sicherlich die bekanntesten Referenten der am Montag, 16. Oktober, beginnenden »Forum«-Reihe. Die ehemalige Bundesjustizministerin beleuchtet am 27. November eine Gefahr, die der Terrorismus heraufbeschworen hat: »Freiheit oder Sicherheit: Entwickelt sich unsere Demokratie zum Überwachungsstaat?« Der Paderborner Theologe stellt die provozierende Frage: »Ist die Kirche eine undemokratische Institution in einer demokratischen Gesellschaft?« - ausnahmsweise ist das ein Dienstagstermin (16. Januar).
Zum Auftakt am 16. Oktober behauptet der streitbare Politikwissenschaftler Dr. Dirk Jörke (35; Greifswald), dass sich Deutschland postdemokratischen Verhältnissen nähert: Zwar bleiben Wahlen, Parteien und Gewaltenteilung erhalten, aber politische Entscheidungen werden von Gremien getroffen, deren Legitimationsbasis bröckelt (EU-Parlament) oder überhaupt nicht vorhanden (private Institutionen).
»In diesem Semester folgen die Vorträge dem Leitmotiv ÝWas wird aus der Demokratie? - Was soll aus ihr werden?Ü«, sagt der emeritierte Soziologe Prof. Karl Otto. Die Situation bietet Anlass zur Sorge: »Die demokratische Verfassung der EU ist gescheitert, und nur noch 51 Prozent der Deutschen die gegenwärtige Staatsform für funktionstüchtig - in den neuen Bundesländern sind es gar nur 28 Prozent.«
»Zu den Veranstaltungen des vor 21 Semestern entstandenen ÝForumsÜ kommen meist mindestens 200 Zuhörer - fast alle von außerhalb der Universität«, berichtet der (ebenfalls emeritierte) Theologe Prof. Rudolf Fischer. »Kein Wunder, stellen wir ihnen doch neueste Forschungsergebnisse vor und räumen mit stereotypen Glaubensgrundsätzen auf.«
Man setzt drei Schwerpunkte:
- Unter welchen Voraussetzungen funktioniert Demokratie und was stört ihr Funktionieren?
- Mit welchen Einflüssen von außen muss sich die Demokratie auseinandersetzen?
- Welche Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten besitzt unsere Demokratie?
Auch direktere Chancen auf Mitwirkung (Volksentscheide) werden im FOW diskutiert. Von besonderer Brisanz dürfte der Vortrag der Bielefelder Juristin Prof. Britta Bannenberg (20. November) sein: »Gefährdet Korruption unsere Demokratie?« Jeweils zu Beginn des neuen Semesters sind die Vorträge auf CD erhältlich (Tel.: 106-46 86; E-mail: forum@uni-bielefeld.de).

Artikel vom 10.10.2006