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Merkel: EU-Verfassung bis 2009

Energiepolitik ein Schwerpunkt der deutschen Präsidentschaft 2007

Berlin (Reuters/dpa). Im Streit um die EU-Verfassung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel davor gewarnt, Teile des beschlossenen Textes wegen der Ablehnung einzelner Staaten aufzugeben.

»Wir werden als deutsche Präsidentschaft ambitioniert an die Sache herangehen, das heißt: nicht vorschnell Dinge aufgeben«, sagte Merkel nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso gestern in Berlin. Deutschland wolle während seiner EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 einen Plan für das Vorgehen zu der geplanten Verfassung vorlegen, die nach der Ablehnung in Frankreich und den Niederlanden derzeit auf Eis liegt. Einzelheiten nannte sie nicht.
Die Kanzlerin bekräftigte, die Europäische Union (EU) brauche eine Verfassung bis zur nächsten Europawahl im Jahr 2009. Barroso sagte der Bundesregierung die Unterstützung der EU-Kommission bei den Vorhaben der deutschen Präsidentschaft zu. Merkel wandte sich mit ihrer Warnung gegen Überlegungen, nur Teile der umstrittenen Verfassung in Kraft zu setzen, die eine erweiterte EU handlungsfähiger und für die Bürger transparenter machen soll.
Dazu sind in dem Text einfachere Abstimmungsregeln und kleinere Entscheidungsgremien vorgesehen. Bis zum Ende des Jahres sollen 17 Mitgliedstaaten die Verfassung ratifiziert haben. Sie kann aber nur nach Zustimmung aller Mitglieder in Kraft treten. Nach dem zu Jahresbeginn 2007 erwarteten Beitritt von Rumänien und Bulgarien wären dies 27 Staaten. Bewegung im festgefahrenen Verfassungsprozess gilt erst nach den Wahlen in Frankreich im kommenden Frühjahr als möglich.
Als weitere Aufgaben des sechsmonatigen deutschen EU-Vorsitzes nannte Merkel eine gemeinsame Energiepolitik, die angesichts der starken Abhängigkeit EU von Energieimporten wichtig sei.
Zudem stünden die »Lissabon-Strategie« genannten Pläne für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa und der Abbau überflüssiger Regulierungen oben auf der Prioritätenliste. Die Energiepolitik, über die Merkel am Dienstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beraten hatte, ist in der EU umstritten.
Die Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft waren ein zentrales Thema des Bundeskabinetts, an dessen Sitzung Barroso teilnahm. Er sagte, auf die deutsche Ratspräsidentschaft richteten sich große Erwartungen. Die Kommission werde vor allem die Bemühungen unterstützen, die Bürger Europas vom Nutzen der EU wieder stärker zu überzeugen.
Als Eckpfeiler der deutschen Präsidentschaft nannte Merkel neben dem Frühjahrsgipfel zum Thema Wirtschaft und Beschäftigung und dem Juni-Gipfel zum Verfassungsprozess die geplante »Berliner Erklärung« zum 50. Jahrestag der EU-Gründungsverträge am 25. März 2007.
Der Text solle ein Signal der Hoffnung für die europäische Entwicklung sein und die Bedeutung des geeinten Kontinents unterstreichen, für die Berlin ein Symbol sei.
Zudem solle unter deutsche Präsidentschaft der ersten EU-Afrika-Gipfel vorbereitet werden, der dann unter der Führung Portugals Ende 2007 stattfinden solle. Deutschland hat 2007 eine Schlüsselrolle, da es neben der EU auch die Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten und Russlands (G 8) führt. Merkel kündigte an, 2007 werde erstmals das Thema »Dreier-Präsidentschaft« auf die Agenda kommen, die eine engere Abstimmung mit den kommenden Präsidentschaften (Portugal/Slowenien) zum Ziel hat.
FDP und Grüne zeigten sich enttäuscht über Merkels Pläne. »Die Bundesregierung verzettelt sich in Einzelfragen«, kritisierte FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin. Ihre Grünen-Kollegin Rebecca Harms warf Merkel vor, in Fragen der Verfassung und Energiepolitik zu vage zu bleiben.

Artikel vom 12.10.2006