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Der rasende Joker

Auch Bundestrainer Löw ist ein Fan von David Odonkor

Von Klaus Lükewille
Rostock (WB). Typisch David Odonkor! Zwei Gegenspieler hatte er überlaufen, war runter gerannt bis zur Grundlinie. Aber dann? Der Flügelflitzer rutschte auf dem nassen Rasen aus, der Flankenversuch scheiterte.

Bei jedem anderen Spieler hätten die Zuschauer nach so einer Aktion gelacht. Und was passierte in Rostock? Sofort kamen aufmunternde Sprechchöre von den Rängen. Sie riefen seinen Namen. Immer wieder. Denn seit den rosaroten WM-Tagen zählt Odonkor in Deutschland zu den erklärten Publikumslieblingen.
Ein »Fan« sitzt sogar auf der Bank. Bundestrainer Joachim Löw hält viel von dem jungen Mann, er schätzt seine außergewöhnliche Fähigkeit: »David ist einer der schnellsten Fußballer der Welt. Das ist seine Waffe. Wenn Spiele mal nicht richtig laufen, kann er mit seinen Sprints jeden Gegner irritieren.« Der ideale Offensiv-Joker: diese Rolle spielte er bei der WM erstklassig. Für immer unvergessen bleibt seine Vorlage zum goldenen Tor gegen die Polen, da flankte sich Odonkor in die Herzen der Fußball-Anhänger.
Bisher war der Angreifer immer nur ein Teilzeit-Arbeiter, beim 2:0-Sieg gegen Georgien zählte der 22-Jährige erstmals zu den Vollbeschäftigten. 90 Minuten auf der rechten Seite rauf und runter, mit DFB-Einsatz Nummer acht ist er endlich ein »richtiger« Nationalspieler, der über die ganze Zeit für Deutschland am Ball sein durfte. Odonkor grinste nach dem Abpfiff: »Ich bin froh, dass ich durchgehalten habe.«
Denn allzu oft musste er zuletzt nicht über die volle Distanz gehen. Bei Borussia Dortmund nutzte ihm auch der frische WM-Ruhm nichts, Trainer Bert van Marwijk wollte ihm keinen Stammplatz garantieren. Deshalb kam die Offerte aus Spanien für beide Seiten zum richtigen Zeitpunkt: Betis Sevilla zahlte sechs Millionen Euro Ablöse - und Odonkor kassiert seitdem auch eine dicke Gehaltserhöhung. Eine Million Euro pro Saison. Netto. Der Vertrag läuft über fünf Jahre.
Dafür muss der Deutsche rennen und flanken, einmal durfte er bei seinem neuen Arbeitgeber auch schon während der gesamten Spielzeit mitmachen. Wie jetzt im DFB-Dress in Rostock. Anschließend lobte Löw: »David hat nicht nur in der Offensive Akzente gesetzt, er hat auch in der Abwehr mitgearbeitet, als wir mal phasenweise etwas unter Druck standen.«
Flitzen und flanken, das allein soll es aber nicht gewesen sein, wenn später einmal die Profi-Akte Odonkor geschlossen wird. »Ich arbeite jeden Tag an mir. Ich will mich immer verbessern«, erklärte der Profi, der einst in Bünde das kleine Fußball-ABC lernte, bevor er bei den »Großen« in Dortmund und für Deutschland mitspielen durfte.
Am Mittwoch, gegen die Slowakei, wird Odonkor erneut auf der Bank lauern. Wenn's eng wird, kommt er, der Joker. »Ich bin sehr gern bei der Nationalmannschaft, das ist meine Familie«, bekennt der »Gastarbeiter«, der am Donnerstag wieder den Abflug in Richtung neue Heimat macht.
Vor den Toren von Sevilla hat Odonkor mit seiner Verlobten Suzan Barka ein Haus gefunden, er fühlt sich immer wohler da unten im sonnigen Süden. Vieles kommt ihm zwar weiter »spanisch« vor, aber er lernt inzwischen die Landessprache und lacht: »Ein Bier kann ich schon bestellen.«

Artikel vom 10.10.2006