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Stranghöners
Schlussstrich

Deutscher Trial-Meister hört 2007 auf

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Auf dem »steckengebliebenen Vulkan« des Osnabrücker Piesberges schrieb Carsten Stranghöner Geschichte. Zwischen Steinkohle, Schieferton und Sandstein erkämpfte der 28-Jährige vom MSC Brake am Sonntag seinen siebten Deutschen Titel im Motorrad-Trial. Bei der spontanen Meisterfeier am Abend im Braker Klubhaus fuhren seine Gefühle mit ihm Achterbahn. »Meine Eltern, mein Wasserträger, mein Klub - alle haben alles für mich getan. Es ist ein schönes Gefühl, es geschafft zu haben und mit diesem Titel dem Einsatz meines Umfeldes etwas zurückgeben zu können«.

Bemerkenswert: Seine sieben Meisterschaften seit 1999 holte der Stedefreunder auf vier verschiedenen Motorrädern. Einer Zweitakter-Montesa (1), Sherco (3), Gas-Gas (2), und in der soeben abgelaufenen Saison steuerte er nach einem kurzfristig vorgenommenen Markenwechsel samt durchwachsenem Start eine Viertakter-Montesa ganz oben aufs Podest, was die angereiste Honda-Delegation aus Offenbach besonders erfreute. Erst nachdem Stranghöner ein Federbein und andere Einstellungen wechselte, fuhr er die Konkurrenz in Grund und Boden.
Die 36 Sektionen auf der 18 Kilometer langen Strecke in Osnabrück zehrten an den Kräften. »Alle Fahrer haben unter dem Gelände gelitten.« Am zweiten Tag - Stranghöner brauchte bloß noch anzukommen, um den sicheren Titel einzuheimsen - blieb er unter seinem Niveau. »Da ist er in den alten Trott zurückgefallen. Statt das Gewicht nach hinten zu verlagern, setzte er den Schwerpunkt zu weit vorne. Da fehlte dann hinten der Grip,« verzweifelte sein erfahrener »Wasserträger« Wilfried Kammel, selbst ehemaliger Deutscher Seniorenmeister.
Stranghöner trägt sich mit dem Gedanken, seine Karriere im nächsten Jahr ausklingen zu lassen. »Ich fühle mich im Moment sehr komplett, möchte noch einmal eine ordentliche EM und DM fahren und dann Tschüss sagen.« Und zur Bekräftigung: »2007 wird definitiv mein letztes Jahr. Darüber hinaus geht nichts.«
Das Finale im Deutschen Trial Pokal war am spannenden Sonntag fest in Bielefelder Hand: Egbert Neumann (MSC Brake/42 Fehlerpunkte) vor Martin Stuckmann (MSC Brake/43) und Sascha Hanning (44) vom DMSC Bielefeld lautete der knappe Zieleinlauf. In der Addition aller Pokalergebnisse sicherte sich Martin Stuckmann den obersten Treppchenplatz.
In der Deutschen Jugendmeisterschaft hat der MSC Brake mit Mirco Kammel, Tim Stuckmann und Kevin Bergmann in ihren Klassen weitere »heiße Eisen« im Feuer. Freut sich MSC-Sprecher Uwe Kelber: »Wenn unser Verein nach Carsten Strnaghöner und Martin Stuckmann einen weiteren Deutschen Meister stellen könnte, das wäre eine super Sache. Sowas hat es noch nicht gegeben.« Der 3. und 4. DJM-Lauf werden am Wochenende im Rahmen des 31. ADAC-Jugendtrials Biberach in Schemmerhofen durchgeführt.
Apropos Mirco Kammel: Der 14-jährige Filius seines Wasserträgers könnte mal in Stranghöners Fußstapfen treten. »Er ist mit Talent gesegnet. Wenn er den hohen Trainingsaufwand nicht scheut, hat er das Zeug dazu,« möchte der alte und neue Deutsche Meister entsprechende »Entwicklungshilfe« leisten.
Derweil hat der erweiterte Vorstand des MSC Brake schweren Herzens und mit kühlem Kopf beschlossen, den fürs kommende Jahr angedachten Weltmeisterschaftsambitionen eine Absage zu erteilen. Manager Juan Fontsere von der spanischen Vermarktungsgesellschaft »Octagon« hat den zeitigen Abbruch der Planungen »aus Gründen der Fairness« inzwischen schriftlich. Auch die FIM in Genf und der DMSB seien von der gravierenden Finanzierungslücke von rund 40 000 Euro in Kenntnis gesetzt worden, berichtet MSC-Chef Jürgen Heuermann. »Aber die Tür ist noch nicht zu. Wenn der Ball zurückkommt und bespielbar ist, nehmen wir ihn wieder auf,« gibt er die Hoffnung auf »eine verbesserte Starthilfe« nicht auf.
MSC-Controller Uwe Kelber verhehlt nicht, dass er über die Passivität des DMSB verwundert bis enttäuscht ist. »Wir haben für unseren Verband 2004 die World Games in Oberhausen ausgerichtet und international ein hervorragendes Echo erhalten. Dass wir als Klub nicht einen Euro vom DMSB erhalten, ist eine Sache. Aber uns wurden noch nicht einmal Türen zu möglichen Sponsoren geöffnet. Wer wirklich einen WM-Lauf in Deutschland will, der muss sich mehr regen.« Also wird am ersten Märzwochenende 2007 wohl »nur« das alljährliche Prädikat einer Internationalen Deutschen Meisterschaft ausgefahren. Die kreativen Sektionenbauer des MSC Brake versetzen die Seidensticker Halle dann in den Wilden Westen. Das Thema lautet diesmal: »Winnetou.« Sport

Artikel vom 10.10.2006