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Vielstimmiges Gotteslob
unter blauem Himmel

Posaunenwerk würdigt Johannes Kuhlo (1856-1941)

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Unter reger Anteilnahme der Gläubigen und mit gewiss 150 Blechbläsern aus dem ganzen Land hat das Posaunenwerk der Ev. Kirche von Westfalen gestern des »Posaunengenerals« und Vorstehers des Diakonenhauses Nazareth, Johannes Kuhlo, gedacht.

In der Predigt zum Festgottesdienst in der Betheler Zionskirche mahnte Präses Alfred Buß den Frieden unter den Völkern und Religionen an. Er stellte dessen leuchtendes Symbol, das himmlische Jerusalem, in scharfen Gegensatz zur tristen Realität im Nahen Osten und Kuhlos trüber - von antijüdischen Affekten durchsetzten - Weltanschauung.
Im Beisein von Kuhlos ältester Enkelin Gisela Lierow (Kassel) und weiteren Familienangehörigen würdigte Buß die herausragende Rolle, die der vor 150 Jahren in Gohfeld (bei Löhne) geborene Theologe, Posaunist und Komponist für die evangelische Posaunenmusikbewegung spielte. »Diese Musik liest die Trümmer auf, die wir Menschen hinterlassen, und komponiert sie zu vielstimmigem Gotteslob«, sagte Buß.
Der Präses bedauerte, dass der Hitlerverehrer Kuhlo das 1. Gebot nicht beachtet habe. »Er sah nicht, dass der Nationalsozialismus die göttliche Heilsbotschaft mit Füßen trat.« Auch habe Kuhlo nicht erkannt, dass das Christentum in religiösen Fragen keinen Anspruch auf Alleinvertretung besitze.
Der Gottesdienst wurde vom Deutschlandfunk republikweit live übertragen. Die Rundfunkpfarrerin Kerstin Hanke machte den Veranstaltern einige Elogen - die Aufzeichnung in der »medienerfahrenen« Zionskirche klappte perfekt.
Das Gedenken zu Kuhlos 150. Geburtstag wurde maßgeblich von den zahlreichen Posaunisten, Trompetern, Hornisten und Tubaspielern - und von den Sängern der Kantorei Bad Oeynhausen - getragen. Vor und im Assapheum musizierten die Bläser zur Freude der Zuhörer, so dass, wie es das Motto des Sonntags vorsah, ein »vielstimmiger Jubelklang durch die Zeit« erscholl.
Pfarrer Bernhard Silaschi, Landesobmann des Posaunenwerks in der EKvW, würdigte Johannes Kuhlo als gottesfürchtigen Mann, der angesichts seines Todesjahres 1941 keine Chance gehabt habe, seine politischen Irrtümer zu korrigieren. Kein Blatt vor den Mund nahm dagegen die »Ballastwache Bethel«: Diakonisse, Friedrich v. Bodelschwingh und Johannes Kuhlo überlegten im Terzett, ob nicht 1000 Blockflöten (»das wäre echte weibliche Diakonie!«) dem Klang von 1000 Blechbläsern - Kuhlo liebte Massenkonzerte - seine martialische Wirkung hätten nehmen können.
Wer wollte, informierte sich in einer Ausstellung im Assapheum über Johannes Kuhlo. Die Gedenkfeier war eine gut organisierte Veranstaltung ohne Missklänge. Bei strahlendem Sonnenschein erklang nicht zuletzt der schöne Choral »Nun danket alle Gott«.

Artikel vom 09.10.2006