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Rubel rollen
nach Westen

Putin findet nicht nur offene Türen

Moskau/München (dpa). Wenn der russische Präsident Wladimir Putin in den kommenden Tagen nach Deutschland reist, dürfte ein Anliegen ihm besonders am Herzen liegen. Der Kremlchef wirbt seit längerem intensiv für eine engere Verflechtung russischer Unternehmen mit dem EU-Wirtschaftsraum.
Blick nach Westen: Russlands Präsident Putin.

Dass noch viel Arbeit vor ihm liegt, musste Putin in den vergangenen Wochen erfahren. Panikartige Reaktionen wie beim britischen Energieversorger Centrica und beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS zeigen, wie wenig Vertrauen russische Firmen als Investoren bislang in Europa genießen.
Milliardengewinne aus dem Öl- und Gasgeschäft verschaffen der russischen Wirtschaft Wachstumszahlen, von denen die Europäer nur träumen. Der weltgrößte Gasförderer Gazprom hält eine Vielzahl an Beteiligungen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem Konzernchef Alexej Miller nicht über neue Kooperationen verhandelt. Zuletzt wurde die niederländische Gasunie mit ins Ostsee-Pipeline-Projekt geholt und eine engere Zusammenarbeit mit dem italienischen Gaskonzern Enel vereinbart.
Der Einstieg der russischen Staatsbank Vneshtorgbank bei EADS im Sommer wurde von russischen Experten als ideale Verbindung gewertet. »Eine engere Kooperation Russlands und Europas auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt ist ein Gebot der Zeit«, kommentierte die staatliche Nachrichtenagentur RIA-Nowosti. Der Kreml will die EADS-Beteiligung auf die große staatlich gelenkte Luftfahrtholding übertragen, die derzeit aufgebaut wird.
Der hohe Kreml-Beamte Wladislaw Surkow sieht die milliardenschweren Industriellen seines Landes geradezu in der Pflicht, sich in der Ferne zu engagieren. Russland will mehr sein als nur Atom- und Rohstoffmacht. Wir müssen das Ziel haben, uns in die Weltwirtschaft zu integrieren, indem wir uns an neuen multinationalen Korporationen beteiligen«, fordert Putins Chefideologe.
»Wir werden eine wachsende Orientierung der Investitionen Russlands in Deutschland sehen«, sagte gestern auch der Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold. Er begrüßte dies: »Da sind wir ganz offen. Wir erwarten aber, dass man sich unseren generellen Spielregeln anpasst. Unsere russischen Freunde taktieren nicht immer ganz geschickt.« So würden russische Unternehmer ihre deutschen Geschäftspartner häufig nicht vorab über ihre Aktivitäten informieren. »Dieses Hau-Ruck-Verfahren schafft Unbehagen.« Den Russen müsse etwa das Modell der Betriebsverfassungen und der Mitbestimmung in Aufsichtsräten nahe gebracht werden.

Artikel vom 09.10.2006