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Die Helfer kritisieren
Pakistans Regierung

Nach dem Erdbeben »die Menschen im Stich gelassen«

Islamabad/Berlin (dpa). Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Pakistan haben deutsche und internationale Hilfsorganisationen der Regierung in Islamabad Versagen vorgeworfen. Präsident Pervez Musharraf: »Wir brauchen noch fünf Jahre.«
»Sie habe die Menschen im Stich gelassen«, kritisierte Misereor gemeinsam mit anderen Hilfswerken am Freitag. Ein Großteil der drei Millionen Menschen, die das Beben vom 8. Oktober vergangenen Jahres obdachlos machte, lebe immer noch in provisorischen Unterkünften wie Zelten. »Ihnen steht ein weiterer harter Winter ohne feste Behausung bevor.« Die Hilfsorganisation Care International geht davon aus, dass der Wiederaufbau der Infrastruktur noch bis zu fünf Jahre dauert.
Care kritisierte, der schleppende Wiederaufbau der 600 000 beim Beben zerstörten Häuser sei unbefriedigend. »Wenn weniger als 20 Prozent der meist einfachen Häuser bisher wieder hergestellt wurden, ist das eindeutig zu wenig.« Auch das Bündnis »Entwicklung hilft« von Misereor, Brot für die Welt, Deutsche Welthungerhilfe, medico international und terre des hommes bemängelte: »Von den staatlichen Aufbaumaßnahmen ist bisher nicht viel zu sehen.« Die eigens eingerichtete Wiederaufbaubehörde schaffe es nicht, den Wiederaufbau systematisch voranzubringen.
Die »Aktion Deutschland Hilft«, ein Zusammenschluss von zehn Hilfsorganisationen, teilte mit, 1,8 Millionen Menschen müssten auch den kommenden Winter in Notunterkünften verbringen. »Die betroffenen Menschen brauchen weiter unsere Unterstützung, um die Folgen des Erdbebens zu meistern.« Alle Hilfswerke riefen zu Spenden auf. Die Wiederaufbaubehörde hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Wintereinbruch 98 Prozent der Obdachlosen in Übergangsquartieren unterzubringen.
Das Erdbeben vor einem Jahr kostete in Pakistan mehr als 73 000 Menschen das Leben, im indischen Teil Kaschmirs starben 1300. Kurz vor dem Wintereinbruch wurden in der Gebirgsregion Pakistans mehr als drei Millionen Menschen obdachlos. Wegen der massiven Nothilfe auch der internationalen Gemeinschaft blieb eine befürchtete zweite Todeswelle im vergangenen Winter aus. Die US-Armee und die Vereinten Nationen bereiten angesichts des nahenden Winters die Wiederaufnahme ihrer Hilfsflüge ins Katastrophengebiet vor. Die US-Streitkräfte teilten mit, ihre Transportflugzeuge hätten bereits begonnen, Hilfsgüter für die »Operation Promise Keeping« (etwa: das Versprechen halten) nach Islamabad zu fliegen.
Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf hat weitere fünf Jahre für den Wiederaufbau veranschlagt. 80 Prozent des Wiederaufbaus würden bis 2009, die verbleibenden 20 Prozent bis zum Jahr 2011 bewältigt werden, sagte Musharraf gestern bei einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Bebens in Muzaffarabad.

Artikel vom 09.10.2006