09.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Union will
bei Hartz IV
härter ran

SPD strikt gegen Leistungskürzung

Berlin (Reuters). Mitten im Streit über die Gesundheitsreform zeichnet sich beim Thema Arbeitsmarkt der nächste Streit in der großen Koalition ab.

In einem Positionspapier sprechen sich CDU und CSU für ein schärferes Vorgehen gegen arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger aus. Bundestagsfraktion und unionsregierte Länder fordern darin, auf eine Ablehnung von zumutbaren Arbeitsangeboten ohne Umschweife mit Kürzungen der staatlichen Leistungen zu reagieren. Dies stieß auf entschiedenen Widerstand der SPD.
Arbeitsminister Franz Müntefering und Fraktionschef Peter Struck lehnten jegliche Leistungskürzungen ab. CDU-Generalsekretär Roland Pofalla hielt dagegen und bezeichnete die Pläne als notwendig zur Senkung der Hartz-IV-Kosten. Die Strafen sollen nach Willen der Union künftig »unmittelbar kraft Gesetzes wirksam werden«, heißt es in dem Papier. Damit entscheiden die Fallmanager in der Arbeitsverwaltung nicht mehr selbstständig, ob der Verstoß eine Leistungskürzung rechtfertigt. Sie können derzeit die Mittel drei Monate lang um 30 Prozent kürzen und bei weiteren Ablehnungen innerhalb eines Jahres ganz streichen.
CDU und CSU wollen ferner Krankschreibungen schärfer kontrollieren. So solle der medizinische Dienst der Arbeitsverwaltung ärztliche Atteste auch gegen den Willen des Arbeitslose überprüfen können. Die beiden Parteien schlagen ferner vor, in Bedarfsgemeinschaften von Langzeitarbeitslosen nur noch ein Auto zu erlauben. Der Wert des Fahrzeugs soll für jeden Hartz-IV-Empfänger auf 10 000 Euro begrenzt werden.
In einem zweiten, ebenfalls abgestimmten Papier ist nach einem Bericht der »Financial Times Deutschland« sogar von einer Halbierung der Bezüge die Rede, wenn ein Langzeitarbeitsloser eine zumutbare Stelle ausschlägt. »Bei Ablehnung eines zweiten Arbeitsangebots muss das Arbeitslosengeld II gänzlich gestrichen werden«, zitiert die Zeitung aus der Vereinbarung. Als weitere Sanktion wolle die Union dem Hartz-IV-Empfänger den Urlaubsanspruch verweigern.
Müntefering schloss eine Umsetzung der Unions-Vorschläge weitgehend aus. Leistungskürzungen und Sanktionsverschärfungen über die von der Bundesregierung beschlossenen Schritte hinaus stehen nach Aussagen seines Sprechers nicht auf der Agenda: »Das ist nicht Politik der Bundesregierung.« SPD-Fraktionschef Struck sagte, die Vorschläge der Union würden sorgsam geprüft. »Aber was mir bisher aus der Arbeitsgruppe bekannt geworden ist, kann die SPD-Fraktion so nicht mittragen«, sagte er. Auch der Arbeitsmarktexperte der Sozialdemokraten, Klaus Brandner (Gütersloh), wies die Pläne zurück. Es bestehe kein Anlass für eine Kürzung der Leistungen. DGB-Chef Michael Sommer beschrieb die Unions-Pläne als von Sozialneid getrieben. Die Wertbegrenzung eines Autos für einen Langzeitarbeitslosen mache ihn traurig. Die meisten Betroffenen seien froh, wenn sie sich eine Bus-Fahrkarte leisten könnten. In dieser Woche stehen Beratungen über eine Revision der Hartz-IV-Regelungen an.
Seite 2: Thema des Tages
und Kommentar

Artikel vom 09.10.2006