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Klima in der Koalition
bleibt weiter gereizt

Merkel rügt Struck-Kritik an Unions-Ministerpräsidenten

Berlin (dpa). Ungeachtet der Einigung bei der Gesundheitsreform bleibt das Klima in der großen Koalition gereizt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies am Wochenende Warnungen von SPD-Fraktionschef Peter Struck vor einer erneuten massiven Einflussnahme der Unions-Ministerpräsidenten auf die Regierungsarbeit in Berlin scharf zurück.
Führende Unionspolitiker verlangten mehr Disziplin in den eigenen Reihen. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte mangelnde Geschlossenheit für die sinkenden Umfragewerte der Union verantwortlich.
Merkel sagte: »Es reicht jetzt mit den unaufhörlichen Angriffen von Herrn Struck auf die Ministerpräsidenten der Union.« CDU und CSU seien »stolz darauf, im Gegensatz zur SPD stark in den Ländern zu sein«. Sie empfänden »die täglich wiederholten Attacken« Strucks als »Zumutung«. Indirekt forderte sie SPD-Chef Kurt Beck auf, mit einem Machtwort den Streit zu beenden.
Die CDU-Vorsitzende forderte jedoch gestern im ZDF auch die Ministerpräsidenten der Union auf, sich in der politischen Auseinandersetzung künftig konstruktiver zu zeigen.
Struck hatte der Kanzlerin angesichts der anstehenden Steuer- und Arbeitsmarkt-Reformen neue Konflikte mit den Länder-Regierungschefs der Union prophezeit. Nach den Erfahrungen mit der Gesundheitsreform habe Merkel noch einen »schweren Weg« vor sich, »Zusagen an die Koalition auch bei den Ländern einzufordern«, sagte Struck. Über das CDU-Präsidium übten die Ministerpräsidenten »schon erheblichen Einfluss auf die Arbeit der großen Koalition aus«. Zudem sei die Reform der Unternehmens- wie der Erbschaftssteuer ein »schwieriges Vorhaben«, weil dabei die Länder-Einnahmen unmittelbar berührt seien.
SPD-Chef Beck sagte der CDU/CSU ebenfalls interne Machtkämpfe voraus. »Die Union steuert nun selbst auf hoher See und das reißt die ungeübte Mannschaft inhaltlich auseinander. Sie wird noch Mühe haben, ihre Machtfrage endgültig zu klären.« Beck fügte aber hinzu: »Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin stark genug ist, das Ruder selbst im Griff zu halten.« Ohne den Kompromiss in der Gesundheitsreform wäre es für die Koalition schwer möglich gewesen, weitere Reformen anzugehen. Die große Koalition wäre dann »arg beschädigt« gewesen. »Sie hätte eine tiefe Delle davongetragen«, sagte Beck.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil lobte ausdrücklich das Verhalten Merkels bei der Kompromisssuche. »Es ist der CDU-Vorsitzenden in schwieriger Situation gelungen, ihren Laden zu ordnen. Das erkennen wir an. Das darf man aber auch erwarten«, sagte er.
Unterdessen mahnten führende Unionspolitiker ihre Partei zu mehr Disziplin. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte mit Blick auf die unionsinternen Auseinandersetzungen um die Gesundheitsreform, manchmal sei es besser, »man hält öffentlich mal den Mund«. Gemeinsam getroffene Entscheidungen müssten gemeinsam verantwortet werden. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte: »Die große Koalition braucht Geschlossenheit in der Union«, um das Vertrauen der Bürger zurück zu gewinnen. Ansonsten könnten CDU und CSU nicht die Mehrheiten gewinnen, um ab 2009 »ohne die SPD zu regieren«.
Pofalla bezeichnete die sinkenden Umfragewerte seiner Partei als »Weckruf für die, die die Geschlossenheit der Union nicht immer in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt haben«. Die Umfragen zeigten »eindeutig, dass die Menschen den Eindruck haben, dass die Union nicht geschlossen aufgetreten ist«.

Artikel vom 09.10.2006