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»Voll bis unters Dach«

Doping im Radsport: Vorwürfe gegen HSV-Teamarzt

Von Sören Voss
Herford/Hamburg (WB). Die Serie der Dopingfälle im deutschen Radsport reißt nicht ab. Jetzt stehen auch Querfeldein-Meister Johannes Sickmüller (Team Stevens) sowie der in Herford wohnende Fabian Brzezinski unter Verdacht.

Die »Süddeutsche Zeitung« erhob in ihrer Samstagsausgabe schwere Vorwürfe gegen den Stevens-Teamarzt Til Steinmeier, der unter anderem als Internist auch die Fußballprofis des Hamburger SV betreute. Laut Patientenakten soll Steinmeier Fahrer der Crossmannschaft, unter ihnen Sickmüller und Brzezinski, über Privatrezepte mit verbotenen Substanzen wie Epo oder Andriol versorgt haben.
Für »Stevens« fuhr bis Anfang 2006 auch der Herforder Malte Urban, der »abgesehen von Leistungstests vor zwei Jahren« mit dem Arzt nach eigenen Angaben allerdings nicht zusammen gearbeitet hat. Schockiert äußerte sich Urban (jetzt Team Focus) gegenüber dieser Zeitung zu den Anschuldigungen gegen seine ehemalige Mannschaft und seinen gelegentlichen Trainingspartner Brzezinski: »Nach den ganzen Veröffentlichungen darf einen eigentlich nichts mehr überraschen. Trotzdem bin ich schockiert. Für die Mannschaft ist das eine Katastrophe.«
Reagiert hat unterdessen der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) mit einer Anzeige gegen Steinmeier wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Trotz Unschuldsbeteuerungen der Fahrer, wird gegen sie ein Sportgerichtsverfahren eingeleitet, mit dem ein Startverbot verbunden ist.
Der Stevens-Rennstall hat Johannes Sickmüller nach den Veröffentlichungen vorerst suspendiert. Fabian Brzezinski hatte pikanterweise schon vor zwei Monaten die Kündigung erhalten - »aus anderen Gründen«, wie aus Teamkreisen verlautet.
Von einem früher bei Steinmeier angestellten Arzt wird der Ex-Fahrer und aktuelle Stevens-Teamchef Jens Schwedler ebenfalls erheblich belastet. Der namentlich nicht genannte Mediziner berichtet gegenüber der »Süddeutschen« von dem Überredungsversuch seines damaligen Chefs. Bei einem Rennen im Oktober 2005 sollte er im Falle einer Dopingkontrolle anstelle des zweimaligen deutschen Cross-Meisters Urin abgeben. »Wenn Jens Schwedler pinkeln muss, dann machst du das, denn der ist voll bis unters Dach«, soll Steinmeier gesagt haben. Sowohl Stevens als auch HSV distanzieren sich angesichts der Vorwürfe bis auf weiteres von Steinmeier.

Artikel vom 09.10.2006