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Russland schiebt
jetzt Georgier ab

Erneute Verschärfung des Konflikts

Moskau (dpa). In dem andauernden Konflikt mit Georgien hat Russland am Freitag mehr als 140 Bürger der Kaukasusrepublik wegen angeblicher Visaverstöße in ihre Heimat abgeschoben.
In der Hauptstadt Moskau wie in Provinzstädten suchte die Polizei nach Georgiern, die gegen die Aufenthaltsbestimmungen verstoßen hätten. Außenminister Sergej Lawrow warf der Führung in Tiflis vor, sie führe »seit Jahren eine anti-russische Politik«.
Die russischen Sicherheitsbehörden durchkämmten die Schülerlisten Moskauer Schulen nach georgischen Namen, um eventuelle illegale Migranten zu finden. Steuerüberprüfungen trafen auch prominente Georgier in Moskau wie den Bildhauer Surab Zereteli und den Schriftsteller Grigori Tschchartischwili, der unter dem Pseudonym Boris Akunin millionenfach gelesene Krimis schreibt.
Als Ausnahme von der bestehenden Verkehrsblockade gegen den südlichen Nachbarn brachte ein Flugzeug des russischen Katastrophenschutzes 143 georgische Abschiebehäftlinge nach Tiflis.
Dabei hätten die russischen Behörden eine Reihe von Rechtsverstößen begangen, erklärte ein Sprecher der georgischen Botschaft in Moskau. Das Flugzeug sollte am Freitagabend mit russischen Bürgern zurückkehren, die sich aus Georgien ausfliegen lassen wollten.
Das ohnehin gespannte russisch-georgische Verhältnis hatte sich in der vergangenen Woche rapide verschlechtert, als Georgien zeitweise mehrere russische Offiziere als mutmaßliche Spione festnahm. Die Sperrung aller Verkehrsverbindungen nach Georgien bleibe bis zu einer Normalisierung des Verhältnisses in Kraft, sagte Verkehrsminister Igor Lewitin.
Außenminister Lawrow zeigte sich trotz seiner Kritik an Georgien erstmals bereit, auch nach einer diplomatischen Lösung für den Konflikt zu suchen. »Diplomatische Wege sind immer offen, und wir geben ihnen den Vorzug.«
Nach den Kommunalwahlen in Georgien vom Donnerstag nahm Präsident Michail Saakaschwili den Sieg für seine Partei in Anspruch. 70 Prozent hätten für die Nationale Bewegung gestimmt, sagte er. Die Opposition warf ihm Wahlrechtsverstöße vor. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sprachen von vereinzelten Unregelmäßigkeiten.

Artikel vom 07.10.2006