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Sohn vor 22 Jahren entführt

Eltern aus Dresden hoffen auf Hilfe von Russlands Präsident Putin

Von Lars Rischke
Dresden (Reuters). Vor mehr als zwei Jahrzehnten lief in Dresden eine der größten Fahndungen in der Kriminalgeschichte der DDR an. Gesucht wurde der fünf Monat alte Säugling Felix und seine Kidnapper.
Russlands Präsident Putin soll helfen.

Der Kleine war Ende 1984 mitten in Dresden entführt worden. Aufgeklärt wurde der Fall bis heute nicht. Die Eltern von Felix, Lenore und Eberhard Tschök , hoffen nun auf Hilfe von Russlands Präsident Wladimir Putin, der am Dienstag zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der sächsischen Landeshauptstadt erwartet wird.
Auf dem Tisch in ihrer Wohnung in Dresden liegt eine abgegriffene Pappschachtel. Nur wenige Bilder von einem Baby sind darin. Die letzte Aufnahme stammt vom Tag, an dem Felix spurlos verschwand. Es war der 28. Dezember 1984.
Lenore Tschök, damals 24 und Studentin, und ihr vier Jahre älterer Mann, ein Maschinenbauingenieur, waren zum Einkaufen in die Innenstadt gefahren. Sie stellten den Wagen mit ihrem Sohn vors Kaufhaus »Centrum« zu mehreren anderen Kinderwagen - zu DDR-Zeiten nichts Ungewöhnliches. Als die Eltern zurückkamen, war Felix weg. Die Ermittlungen der Polizei führten zu den Kasernen der Roten Armee in Dresden. Denn nur wenige Tage nach dem Verschwinden von Felix wurde in der Elbestadt ein Karton mit einem etwa ein Jahr alten Jungen gefunden. Das Kind reagierte auf russische Laute. Die Vermutung der Ermittler: Der Junge wurde ausgesetzt, weil er vermeintlich schwerkrank war. An seiner Stelle sei Felix in einem Zug Richtung Osten gefahren. Über diesen Verdacht drang nichts mehr an die Öffentlichkeit. Während das Findelkind später adoptiert wurde und heute in Sachsen lebt, ist das Schicksal von Felix nach wie vor ungewiss. Ende 1985 war die Akte »Felix« auf Druck von oben vorläufig geschlossen worden. Erst seit wenigen Jahren wird nun auf Drängen der Eltern wieder ermittelt. In Baschkirien ist inzwischen ein Ex-Buchhalter der Roten Armee aufgespürt worden, der mit dem Aussetzen des Findelkindes zu tun haben soll. Oberstaatsanwalt Christian Avenarius ist vorsichtig optimistisch. »Es gibt eine Chance, weitere Spuren zu finden«, sagt er.
Die Tschöks glauben indessen, die russische Seite mauere bis heute. Putin müsse jetzt helfen. Doch der war Anfang 1985 als Offizier für den Geheimdienst KGB in die Stadt gekommen. Zu der Zeit liefen die Ermittlungen im Fall Felix auf Hochtouren.

Artikel vom 07.10.2006