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Das verkrampfte Weltwunder

Nikolaj Walujew bleibt Weltmeister nach US-Comeback ohne Glanz

Chicago (dpa). Nikolai Walujew verließ nach seinem erfolgreichen US-Comeback mit gemischten Gefühlen den Ring.

Zwar bleibt der 2,13 Meter lange Russe durch seinen technischen K.o.-Sieg am Samstagabend in Chicago über seinen Herausforderer aus den USA, Monte Barrett, Schwergewichts-Weltmeister des Boxverbandes WBA, aber die gewünschte Gala-Vorstellung als Eintrittskarte für den lukrativen US-Markt war seine Nachtschicht nicht. In der elften Runde schickte Walujew seinen Gegner gleich zwei Mal zu Boden, ehe Barretts Coach James Ali Basheer nach 2:12 Minuten das Handtuch warf.
»Das war richtig so, sonst hätte ich ihn ausgeknockt. Es war kein leichter Kampf, und es ist mir nicht gelungen, mein Können zu zeigen. Ich war ein bisschen zu verkrampft«, sagte Walujew nach seinem ersten Kampf in den USA seit mehr als fünf Jahren. Immerhin feierte er im 45. Profi-Kampf den 45. Sieg. Damit fehlen ihm nur noch vier Erfolge zur Einstellung der historischen Marke von Rocky Marciano (49:0).
Vor 16 000 Zuschauern in der Allstate-Arena tat sich Walujew gegen den beweglichen und schnellen Barrett lange Zeit sehr schwer. Trotz seines Größenvorteils von 28 Zentimetern schaffte es der Champion nicht, den Gegner auf Distanz zu halten. Der oft als lethargisch verspottete Barrett, der seit seiner Punkt-Niederlage gegen Hasim Rahman (USA) im August 2005 pausiert hatte, bewies Nehmerqualitäten. Erst in der achten Runde, als der 47 Kilo leichtere Boxer erstmals auf die Bretter musste, schien 148-Kilo-Koloss Walujew die probaten Mittel gefunden zu haben. »Das war kein Spaziergang. Er ist sehr stark, und ich muss zugeben, ich habe seine Gewalt sogar noch unterschätzt«, sagte Barrett nach seiner fünften Niederlage im 37. Kampf.
Walujew war die Anspannung, bei seinem dritten Profi-Kampf in den USA Großartiges oder gar Unvergessliches zeigen zu wollen, deutlich anzumerken. Der Hype im Vorfeld des Kampfes, als ihn Promotor Don King sogar das achte Weltwunder nannte, lag wie unsichtbarer Ballast auf seinen mächtigen Schultern. »Es ist schon ein Riesen-Unterschied zu Kämpfen in Deutschland. Mehr Interviews, weniger Ruhe. Sogar beim Training folgten mir Kameras bis in die Kabine«, offenbarte der sanfte Riese, »es war wirklich sehr hart, aber nach der vierten oder fünften Runde wusste ich, dass ich gewinnen würde.«
Der größte und schwerste Weltmeister der Box-Geschichte hat die US-Öffentlichkeit allein schon durch seine imposanten Körpermaße zumindest neugierig gemacht. Aber eine donnernde Empfehlung für Pay-per-View-Kämpfe in Las Vegas oder im New Yorker Madison Square Garden war sein Auftritt nicht. »Nikolai darf wiederkommen. Das war erst die Vorspeise«, meinte Don King, der möglichst schnell ein Duell Walujew gegen WBC-Weltmeister Oleg Maskajew (Kasachstan) und WBO-Champion Sergej Ljachowitsch (Weißrussland) realisieren möchte.

Artikel vom 09.10.2006