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Erkundung des Augenblicks

Skulpturen und Malerei von Karl-Heinz Gies in der Produzentengalerie


Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Laut Lexikon beschreibt der Augenblick das subjektive Empfinden von Gegenwart. Für die meisten Menschen dauert der Augenblick etwa zwei bis drei Sekunden, selten etwas länger, eben bis zum nächsten Wimpernschlag - daher der Begriff »Augenblick«.
Für den in Nieheim-Hüsten geborenen Künstler Karl Heinz Gies greift diese Erklärung zu kurz. Gies (58) hat den Augenblick über seine rein semantische Bedeutung hinaus aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Dabei herausgekommen ist eine Ausstellung, die mit Lust am Spielerischen unterschiedliche Facetten und Bedeutungsebenen aufgreift und die durch ihre handwerklich solide Ausführung beeindruckt.
Wortbegriffe wie »Augapfel«, sprichwörtliche Redensarten wie »Der Dorn im Auge« sowie kreative Eigenschöpfungen wie »Das haptische Auge« manifestiert der Künstler in skulptürlichen Darstellungen aus Holz und Metall. Sein haptisches Auge spielt rein äußerlich mit der Augenform. Erkenntnis gewinnt der Betrachter indes erst durch seinen eigenen Tastsinn. In die Pupille der Skulptur hat Gies einen schwarzen Stoffbeutel eingearbeitet. Durch ein Eingriffsloch kann der Betrachter seine Hand strecken und Gegenstände ertasten. Auf diese Weise wird der Rezipient selbst zum Teil des Kunstwerks. Für Gies ist es zudem der Augenblick, an dem sich Kunst ereignet.
In der Technik lässt sich Karl-Heinz Gies nicht festlegen. Mal verwendet er rostigen Industrieschrott, den er zu einer Skulptur formiert, mal sind es Fundstücke aus Holz, die der Künstler mit künstlichen Augen kombiniert. Neben übertragenen Begriffen und Gebilden stehen bei Gies konkrete. So weist das sich umarmende Paar auf Glücksmomente hin.
Beruhen Karl-Heinz Gies' Skulpturen auf einer rationalen Umsetzung des Augenblick-Begriffs, so geht er in seiner Malerei sehr viel emotionaler vor. Embryonale, organische Formen verweisen auf den Augenblick des Werdens und Entstehens
Die Ausstellung »Augenblicke« in der Produzentengalerie, Rohrteichstraße 36, läuft bis zum 29. Oktober und kann dienstags von 16.30 bis 18.30 Uhr besichtigt werden.

Artikel vom 07.10.2006