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Gazprom soll
in Schalke den
Hahn aufdrehen

Vertrag mit Hauptsponsor läuft aus

Von Wolfgang Wotke
Gelsenkirchen (WB). Frust, Pfiffe, sportliche Talfahrt, große finanzielle Sorgen. Beim FC Schalke 04 ist mal wieder der Teufel los. Kommt die Rettung diesmal aus dem Osten? Nach Informationen dieser Zeitung soll Gazprom, das weltweit größte Erdgasförderunternehmen, neuer Hauptsponsor der Königsblauen werden.

Schon in den nächsten Tagen soll der Vertrag zwischen Schalke und dem russischen Gasriesen in Dresden unterzeichnet werden. Für eine Bestätigung und für eine Stellungnahme dazu waren gestern weder der Aufsichtsratsvorsitzende des Bundesligisten, Clemens Tönnies (er weilt im Urlaub auf Mallorca), noch der FCS-Schatzmeister Josef Schnusenberg zu erreichen.
Die Krisenstimmung beim Tabellenfünften kocht immer mehr hoch. Nach drei Niederlagen in vier Spielen und dem Erstrunden-Aus im UEFA-Cup werden die Rufe nach einem Trainerwechsel immer lauter und unüberhörbar. Dazu kam noch vor wenigen Wochen die »Affenkomödie« um Manager Rudi Assauer, der nach Turbulenzen um seine Person Konsequenzen zog und freiwillig den Posten räumte. Er sieht für Schalke inzwischen sogar die Gefahr, »ein Popelverein zu werden«. Und auch das noch: Hinter den Kulissen ermittelt der Staatsanwalt. Es geht um Bilanzfälschung, die jedoch vom Verein energisch bestritten wird. Beim FC Schalke 04 »brennt der Baum«.
Am Mittwoch berichtete die »Sport-Bild«, dass sich der momentane Hauptsponsor »Victoria«-Versicherungen Gedanken um die Zukunft seines Engagements auf Schalke mache und wahrscheinlich sich im nächsten Jahr, in dem auch der Vertrag ausläuft (sechs Millionen Euro), zurückziehen werde.
Seit Beginn dieser Bundesligasaison kochen die Schalker auch personell auf Sparflamme. Mit Halil Altintop (Kaiserslautern), Peter Lövenkrands (Glasgow Rangers) und Mathias Abel (Mainz) wurden nur ablösefreie Spieler und keine spektakulären Neuverpflichtungen geholt.
Die drastische Sparpolitik könnte mit dem »Gas-Deal« in Russland ein Ende haben. Gazprom, übrigens eine Abkürzung für die russische Gasindustrie, ist ein ehemaliger Staatskonzern, der 1998 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und heute mit 330 000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Landes ist. Das Unternehmen kontrolliert die Gaswirtschaft der Russischen Föderation weitgehend. Der Umsatz von Gazprom wird auf jährlich 45 Milliarden Dollar (2005) geschätzt, der Reingewinn auf 161 Milliarden Rubel oder 4,689 Milliarden Euro.
Keine Frage, zöge der FC Schalke 04 den Gasgiganten wirklich als Hauptsponsor an Land, wäre das ein Glücksgriff und der Club wäre einige Sorgen los. Doch ein bitterer Beigeschmack bliebe, denn Gazprom gilt als nicht unumstritten. Jürgen Roth, Experte für Wirtschaftskriminalität, nennt Gazprom ein »Selbstbereicherungssystem mit kriminellen Strukturen« und kritisiert auch Altkanzler Gerhard Schröder, der eine Berater-Tätigkeit bei dem Unternehmen ausübt.

Artikel vom 06.10.2006