06.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Feier für den Posaunengeneral

Posaunenbläser würdigen Johannes Kuhlo - Gottesdienst mit Präses Buß

Bielefeld (WB/mzh). Die Posaunenmusiker in der ev. Kirche von Westfalen (EKvW) feiern an diesem Sonntag den 150. Geburtstags ihrer zentralen Leitfigur. Auch in Bethel steht der Tag ganz im Zeichen Johannes Kuhlos (1856-1941).

Der Festgottesdienst (10 Uhr) in der Zionskirche wird vom Deutschlandfunk live übertragen. Präses Alfred Buß hat die Veranstaltung unter das Motto »Vielstimmiger Jubelklang durch die Zeit« gestellt.
Um 11.30 Uhr musizieren die Bläser aus Bethel und Eckardtsheim vor dem Assapheum, und eine halbe Stunde später will sich die »Ballastwache Bethel« dem einstigen »Posaunengeneral« kabarettistisch nähern (Assapheum). Zum kostenlosen Mittagessen (12.45 Uhr) sind alle Mitwirkenden ins Assapheum eingeladen; um 13.45 Uhr bitten die Musiker zur Bläserprobe in die Zionskirche. Ebenfalls im Gotteshaus trifft man sich zum Stehkaffee (15 Uhr), und um 15.30 Uhr findet hier die Schlussversammlung unter dem Leitmotiv »Ein Gang durchs Kirchenjahr« statt, bei dem die Bläser Kirchenmusik des Kuhlo-Horn-Sextetts erklingen lassen.
Die Gedenkfeiern sind um 17 Uhr beendet. Tagsüber ist im Assapheum die Schau »Bläserklang im Gottesdienst« zu sehen.
Der Theologe und Komponist Johannes Kuhlo aus Gohfeld wurde auf Wunsch Friedrich von Bodelschwinghs am 5. März 1893 als zweiter Pfarrer der Zionsgemeinde und Vorsteher der Diakonenanstalt Nazareth eingeführt. Seine erste Frau, Anna Siebold, die früh verstarb, stammte aus Schildesche; Kuhlo heiratete später ihre Schwester Else.
Während Kuhlos Einfluss als tatkräftiger Förderer des Posaunenchorwesens allenthalben Anlass zu Lobeshymnen bietet, liegen über seinem politisches Auftreten dunkle Schatten. Auch die Veranstalter der Feiern in Bethel, allen voran Präses Buß, wissen um Kuhlos kritiklose Verehrung jedweder Obrigkeit, ob Kaiser oder Diktator.
Sein Glaube habe Kuhlo nicht »vor einer erschreckenden Blindheit gegenüber der Nazi-Ideologie und der Person Hitlers« bewahrt, sagte Buß kürzlich. Diese dunkle Seite in Kuhlos Biographie dürfe nicht aus der Erinnerung ausgeblendet werden.
Der bibeltreue Christ, eigenwilliger Kauz und charismatischer Posaunenchorleiter in einer Person, trat bereits 1933 in die NSDAP ein und machte Hitler bei den Anhängern der Erweckungsbewegung hoffähig. Wie so viele Deutsche fand der nationalkonservative Kuhlo nach dem Sturz der Monarchie nie zur Weimarer Demokratie, sondern erlag früh dem Führermythos. Er schwärmte von Begegnungen mit dem Diktator auf dem Obersalzberg und huldigte der braunen Bewegung, indem er vom Horst-Wessel-Lied eine Fassung für Posaune arrangierte. Noch Kuhlos letzte Briefe wimmeln von Ausfällen gegen Juden.
Zwar kam die Diskussion um seine Person zunächst schleppend in Gang, wird jedoch seither ohne Scheuklappen - wenn auch äußerst emotional - geführt. In jüngster Zeit hat Reinhard Neumann (Haus Nazareth) die Brüche in Kuhlos Biographie historisch-kritisch analysiert.

Artikel vom 06.10.2006