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Wind und Wetter fliegen immer mit

Spezieller Lufthansa-Dienst« berät Piloten - genaue Vorhersagen ermöglichen exakte Planung

Gewitter im Sommer oder Schnee und Eis im Winter, böige Winde aus unterschiedlichen Richtungen, Hagel oder gar Hurrikans - wenn sich das Wetter von seiner unfreundlichen Seite zeigt, hat das auch direkte Auswirkungen auf den Luftverkehr. Je genauer die Vorhersagen für das Wetter sind, desto exakter können die Flüge geplant werden.

Lufthansa hat dafür eine eigene Wetter-Abteilung in Frankfurt. »Wir können zwar am Wetter nichts ändern, aber wir können Piloten durch gute Beobachtung und Auswertung von Wetterinformationen aus aller Welt wertvolle Schützenhilfe für ihre Flüge geben«, sagt Hans-Rudi Sonnabend, der Leiter Meteorological Services von Lufthansa Systems in Frankfurt. Neben Lufthansa beliefert er 25 weitere Fluggesellschaften weltweit mit Wetterdaten.
Wetterinformationen werden von mehreren Organisationen weltweit erhoben. Das sind einmal die staatlichen Wetterdienste, in Deutschland zum Beispiel der Deutsche Wetterdienst. Diese Meteorologen informieren über die lokalen Wettersituationen in unteren Höhen und an Flughäfen. Die Wetterberatung für weltweit alle Flüge des internationalen Luftverkehrs in Höhen über 25 000 Fuß (das sind 7600 Meter) kommt aus zwei gesonderten Wetterdienstzentren, die World Area Forcast Center (WAFC) in London und Washington. Diese Zentren gehören zur International Civil Aviation Organisation (ICAO), einer Unterorganisation der Vereinten Nationen.
Der »Lufthansa-Wetterdienst« empfängt von den nationalen Wetterdiensten und dem WAFC rund um die Uhr über Satellit die neuesten Wetterberichte. Auf der Grundlage dieser Wetterdaten wird rund fünf Stunden vor Abflug die Flugroute für jeden einzelnen Flug geplant. Bei einem Flug von Frankfurt nach New York beispielsweise wählt man dabei nicht einfach den kürzesten Weg. Vielmehr berücksichtigen die Routenplaner (Dispatcher) die für den Flug vorhergesagten Wetterbedingungen wie Höhenwinde, Gebiete mit starken Turbulenzen oder auch die Gefahr von Eisbildung. Wenn irgend möglich werden die Flugrouten so gelegt, dass sie die Zonen mit negativ beeinflussenden Wettererscheinungen meiden. Dabei werden die Routenplaner durch das Flugwegplanungssystem von Lufthansa Systems, einem der weltweit modernsten seiner Art, unterstützt.
Großen Einfluss auf die Wahl einer Flugroute haben Strahlströme, die Jetstreams. Diese Winde bewegen sich mit bis zu mehr als 300 Kilometer pro Stunde relativ konstant von West nach Ost. Sie treten in großer Höhe auf, also in der Reiseflughöhe der Langstreckenflugzeuge. Sagt der Wetterbericht über dem Nordatlantik einen starken Jetstream voraus, so wird die Route beispielsweise des Flugs Frankfurt - New York so bestimmt, dass das Flugzeug möglichst nicht in den Jetstream gerät.
In der Gegenrichtung kann ein Jetstream die Reisezeit enorm verkürzen. Dazu muss man allerdings die Bewegung, Richtung und Ausdehnung der Luftmassen genau kennen, um Vorteile für den Flug nutzen zu können. Doch schneller fliegen muss nicht immer schöner fliegen bedeuten, das wissen die Piloten. Und deshalb berücksichtigen sie die entsprechenden Wetterfaktoren, die ihnen mit auf den Weg gegeben werden oder die sie während des Flugs abrufen können. »Risiken meiden und einen Weg wählen, der den Fluggästen den optimalen Reisekomfort bietet«, lautet die Devise bei Lufthansa.
Bevor bei Lufthansa ein Flugzeug startet, erhält jeder Pilot alle wichtigen Informationen zum Wetter - zusammengefasst in einem Wetter-Bulletin. Es ist zugeschnitten auf den Flug und enthält die notwendigen Wetterkarten sowie alle weiteren Informationen über besondere Wetterereignisse auf der Strecke und an den Flughäfen entlang der geplanten Route. Kündigt der Wetterbericht beispielsweise konstanten und starken »Gegenwind« für eine Langstrecke an, so wird dies vom Flugwegplanungsystem bereits bei der Berechnung der Flugzeit und des Treibstoffbedarfs berücksichtigt und der Pilot entscheidet, ob er für unvorhergesehene Situationen zusätzlichen Treibstoff mit auf die Reise nehmen möchte. Denn gerade während eines Flugs über eine Dauer von acht, zwölf oder gar 14 Stunden sind unterschiedliche Wetterzonen zu durchfliegen und das vorhergesagte Wetter kann sich ändern.
Aber auch während des Flugs kann die Crew jederzeit auf die aktuellen Wetterdaten bei Lufthansa zugreifen. Über eine Art Telex für Flugzeuge ruft der Pilot das aktuelle Wetter von jedem beliebigen Flughafen ab. Täglich kommt es zu mehr als 3300 Abfragen. Ein Pilot kann so beispielsweise schon auch vor der Ankunft - wenn er noch über oder in dicken Wolken fliegt - seinen Fluggästen an Bord mitteilen: »An unserem Ziel New York haben wir im Moment 24 Grad Celsius, schwachen Wind aus Süd-West und gute Sicht bei Sonnenschein.«
Die Genauigkeit der Wettervorhersagen ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Inzwischen trifft eine Vorhersage für 24 Stunden statistisch in mehr als 85 Prozent der Fälle zu. Auch Lufthansa hat daran einen Anteil, denn das Unternehmen stellt seit mehreren Jahren dem Deutschen Wetterdienst die Datenaufzeichnungen seiner Flugzeuge als eine Art fliegende Wetterstation zur Verfügung. Jedes Flugzeug misst regelmäßig während des Flugs automatisch Windrichtung, Windgeschwindigkeit und die Temperatur - diese Daten werden für die Steuerung der Triebwerke und zur Navigation benötigt.
Eine spezielle Software an Bord der Flugzeuge speichert die Wetterdaten und überträgt sie in regelmäßigen Intervallen über die Bodenstation von Lufthansa Systems an die Wetterdienste. Dadurch ist es möglich, ständig aktuelle Informationen über das Wetter zu erhalten - und das sogar aus Regionen, in denen das Messnetz des Wetterdienstes nur sehr dünn oder gar nicht vorhanden ist - zum Beispiel über dem Atlantik. Mithilfe dieser meteorologischen Aufzeichnungen kann der Wetterdienst seine eigenen Vorhersagen überprüfen und durch aktualisierte Wetterdaten immer wieder angleichen.

Artikel vom 14.10.2006