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Ein Bielefelder Boxer will die
Seilgevierte der Welt erobern

Cruisergewichtler Marco Huck kämpft um die Europameisterschaft

Von Oliver Kreth
Berlin (WB). Irgendwo im Nirgendwo östlich von Berlin liegt die Sportschule Kienbaum, die einstige Muskelbildungsanstalt der DDR. Hier bereiten sich die Boxer des Sauerland-Teams auf ihre Kämpfe vor. Auch Marco Huck, das Cruisergewicht aus Bielefeld.

Seinen ersten großen Titelkampf bestreitet er an diesem Samstag in Kempten (ARD überträgt live ab 22.55 Uhr) gegen den Italiener Pietro Aurino (30). Es geht um den Europameisterschaftsgürtel. Für den 22-jährigen Deutschen soll das nach der zweifachen verletzungsbedingten Absage des Fights aber nur eine Durchgangsstation sein. Denn nicht nur im Pavillon 9 in Kienbaum träumt er von dem ganz großen Ding. Huck: »2007 will ich um einen Weltmeisterschafts-Gürtel kämpfen.«
Doch der ehemalige Kickbox-Welt- und Europameister hat auch seinen weichen Seiten. »Meine Mutter Bisera und mein Vater Rasim haben sich, nachdem ich im mit acht aus Jugoslawien nach Deutschland kam, immer sehr um mich und meine Geschwister Munevera, Muamera und Kenan gekümmert. Meine Mutter hat mich sogar zu sehr verwöhnt. Als ich nach Berlin gezogen bin, musste ich erst einmal lernen, wie man einen Kaffee aufsetzt oder eine Mahlzeit kocht«, erzählt der Modellathlet. »Meine Mutter war, als ich zu Hause ausgezogen bin, sehr traurig und hat einige Tränen vergossen.« Doch auch der im Ring so harte junge Mann hatte Probleme mit der Distanz zur geliebten Familie: »Das Heimweh war in den ersten zwei Monaten schon riesig. Mittlerweile fühle ich mich aber in Berlin sehr wohl.«
Auch ein Verdienst von Ulli Wegner. Der Weltmeister-Macher (Markus Beyer, Sven Ottke, Arthur Abraham) findet, dass »ihr da eine Perle habt in Bielefeld«. Doch nach dem Lob kommt auch gleich die Kritik von der »Vaterfigur«: »Es ist gut, selbstbewusst zu sein. Aber man darf nicht abheben.«
Da besteht bei dem K.o.-König (13 seiner 16 Profifights gewann er vorzeitig) keine Gefahr: »Ich bin jemand, der gefordert werden will. Die Anstrengungen, die ein Boxer im Training bewältigen muss, kommen meinem Temperament sehr entgegen. Und wenn es in meiner Freizeit mal ein bisschen ruhiger zugeht, dann merke ich gleich den Drang, mich zu bewegen.«
Fasziniert vom Kampfsport ist er seit Kindertagen. »Früher habe ich im Fernsehen die Kämpfe von Muhammad Ali und Mike Tyson angeschaut. Das hat mich angesprochen. Auch Action-Helden wie Bruce Lee und Arnold Schwarzenegger haben mich fasziniert.« Schnell gab er der Faszination nach: Er trainierte bei Ulf Schmidt (Sportpalast Bielefeld), startete für Vorwärts Bielefeld und im November 2004 gab es sein Profi-Debüt (K.o.-Sieg in der 1. Runde gegen den Tschechen Pavel Cirok).
»Für Bielefeld habe ich 15 Kämpfe bestritten, die ich alle gewonnen habe. Darum wurde man auch im Profibereich auf mich aufmerksam. Danach ging alles schnell. Ulli Wegner bat mich zum Probetraining und umgehend erfolgte das Angebot für einen Profivertrag«, erinnert sich Huck.
Jetzt trainiert er mit den Champions. Markus Beyer, Arthur Abraham und Nikolai Walujew waren ebenfalls in Kienbaum, um sich auf ihre Titelfights vorzubereiten. Mit dem Ex-Armenier Abraham (26) versteht sich der gebürtige Jugoslawe besonders gut. Aber er profitierte auch vom Schwergewichtschampion im Sauerland-Team. So nutzte er Walujews Sparringspartner. Optimale Vorraussetzungen für seine Art der Kampfführung. Huck: »Ich bin keiner, der sich gerne auf ein Urteil der Punktrichter verlässt. Darum versuche ich, die Sache vorzeitig zu entscheiden.« Das gelang ihm auch in seinem letzten Vorbereitungskampf in Wetzlar, als er Rachid El Hadak in der achten Runde ausknockte.
Doch gefallen hat seinem Trainer dabei nicht alles. Immer wieder ermahnte er seinen Schützling, das Erlernte anzuwenden. Wegner: »Marco hat die Chance, sich ganz nach oben zu boxen. Er muss sie nutzen, denn so viele wird ein Junge wie er nicht bekommen.«

Artikel vom 16.12.2006