07.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Urteil nach Alkoholfahrt aufgehoben

Mann schuldunfähig?

Bielefeld (WB/ca). Zeigt ein Autofahrer nach einer Alkoholfahrt massive Ausfallerscheinungen, muss das Gericht die Schuldfähigkeit prüfen.

Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und die Verurteilung eines Heizungsbaumeisters aus Bielefeld aufgehoben. Der Mann war im Kreis Herford in Schlangenlinien unterwegs gewesen und hatte versucht, einer Polizeistreife zu entkommen. Die Blutprobe hatte einen Wert von 1,7 Promille zur Tatzeit ergeben. Das Amtsgericht Bünde hatte den Mann deshalb zu einem Jahr Haft auf Bewährung und 26 Monaten Führerscheinentzug verurteilt, die Entscheidung war vom Landgericht Bielefeld bestätigt worden.
Doch die Revision des Anwaltes hatte Erfolg: Das OLG hob die Verurteilung auf. Der Arzt, der die Blutprobe genommen hatte, hatte neben anderem notiert, dass der Gang des Autofahrers schwankend, die Finger-Finger-Prüfung sowie die Finger-Nasen-Prüfung unsicher und die Sprache verwaschen gewesen sei.
»Bei einem erwachsenen, gesunden Menschen darf der Richter zwar davon ausgehen, dass er bei einem Blutalkoholwert unter zwei Promille voll schuldfähig ist«, heißt es in dem Beschluss aus Hamm. Seien aber Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gegeben, müsse die Frage der Schuldunfähigkeit geprüft werden - und das hätten die Richter in Bünde und Bielefeld versäumt.
Dabei sei bekannt gewesen, dass der Mann aufgrund seines Alkoholmissbrauches seit Jahren verfalle. Er habe sogar einmal unter Alkohol seine Frau mit einem Messer bedroht und versucht, sie zu vergewaltigen, weswegen er bereits 2004 verurteilt worden sei. »Wegen dieser erheblichen Indizien für eine Schuldminderung hätten die Gerichte die Frage der Schuldfähigkeit nicht außer Acht lassen dürfen«, befanden die OLG-Richter und verwiesen den Fall zurück ans Landgericht Bielefeld.

Artikel vom 07.10.2006