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Jetzt kommt der Schul-TÜV
Besondere Form der Qualitätskontrolle soll bald eingeführt werden
Ein ganz normaler Tag an irgendeiner Schule in Deutschland. Plötzlich geht die Tür zum Klassenzimmer auf. Wortlos setzt sich eine Person in die hinterste Ecke. Genauso stillschweigend wie sie gekommen ist, verlässt sie nach 20 Minuten wieder das Klassenzimmer. Dieses Szenario wird sich wohl in Zukunft an immer mehr Schulen abspielen. 2007 soll die »Schulinspektion« auch in NRW eingeführt werden.
Die Schulinspektion, umgangssprachlich auch »Schul-TÜV« genannt, soll keineswegs einzelne Lehrer auf den Prüfstand stellen, sondern als eine Qualitätskontrolle dem Gesamtbild der Schule förderlich sein, wie es heißt. Im Vorfeld wird der Schule und dem Inspektorenteam die Möglichkeit gegeben, sich gründlich auf den Besuch vorzubereiten. Etwa drei Monate im Voraus wird die jeweilige Schule von dem Erscheinen der Inspektionskommission unterrichtet. Es wird nicht bekannt gegeben, welche Klassen besucht werden. Die Kommission dagegen bereitet sich ihrerseits mit der Sichtung von Daten und Fakten über die Schule vor.
In NRW haben sich jetzt einige Schulen im Rahmen der Erprobungsphase freiwillig der Schulinspektion unterzogen. Darunter auch die Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule in Werther (Kreis Gütersloh). »Ein Team aus drei Schulaufsichtsbeamten ist durch verschiedene Klassen gegangen und hat sich ein Bild des Unterrichts gemacht«, berichtet Deutschlehrer Dieter Wissmann. In einem Abschlussgespräch sollen Eindrücke besprochen, einzelne Punkte des Schulprogramms diskutiert und von der Schule Stellung bezogen werden. »Es war ein sehr kooperatives Beratungsgespräch. Man hatte nicht den Eindruck, vorgeführt oder kontrolliert zu werden,« betont der Pädagoge.
Es gibt aber durchaus noch einige Kritikpunkte an der Idee »Schulinspektion«, denn ob 20 Minuten wirklich ausreichen, um sich ein umfassendes Bild des Unterrichtsgeschehens zu machen, ist fraglich. »Wenn sich ein Inspektor in den Unterricht reinsetzt und er nicht den gesamten Verlauf der Stunde mitbekommt, frage ich mich, wie er sich dazu äußern kann«, betrachtet Gabriela Bergmann, Lehrerin an der Bosse-Realschule in Bielefeld, das Vorgehen der Inspektion kritisch. »Ich halte einen vollen Unterrichtsbesuch für sinnvoller als einen Rotationsbetrieb.«
Die Schulaufsichtsbehörden betonen aber, nicht die einzelnen Unterrichtsstunden zu bewerten, sondern ein möglichst repräsentatives und vielseitiges Gesamtbild einer Schule erschließen zu wollen. Dabei ist das Ziel, mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in ihrem Unterricht nach bestimmten Kriterien zu bewerten.
Die Schüler stehen dem Verfahren genau wie viele ihrer Lehrer mit gemischten Gefühlen gegenüber und wissen nicht so recht, was sie von dem »Schul-TÜV« halten sollen. »Ich kann mir vorstellen, dass man gehemmt ist, sich am Unterricht zu beteiligen, wenn einer der Inspektoren mit in der Klasse sitzt«, gibt Robin Schröder, Schüler am Evangelischen Gymnasium in Werther, zu bedenken. »Es ist bestimmt sinnvoll, wenn Leute von außen mal ein Auge auf die Schule werfen und zum Beispiel die Fachräume begutachten«, weiß Maxi Bußmeier, Gymnasiastin in Werther, auch um die möglichen Vorteile der Schulinspektion.
Barbara Erdmeier, Direktorin des Gymnasiums in Werther, hebt die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Institution Schule und der Schulinspektionskommission hervor. »Für mich ist es wichtig an der Schulqualität zu arbeiten. Wenn eine fundierte Beratung erfolgt, dann kann ich mir vorstellen, davon zu lernen.« Fakt ist, dass die Inspektoren nicht aktiv in das Schulgeschehen einwirken wollen. In einem abschließenden, öffentlichen Bericht wird der Schule »ihr Spiegel vorgehalten« - es ist dann Aufgabe der Schulleitung Schwachstellen auszubessern.
Stefanie Djoba / Jana Freese

Artikel vom 14.10.2006