05.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Auch beim Adel kennt
die Justiz kein Pardon

Blaublütige Seniorin wegen Unfallflucht vor dem Amtsgericht

Großdornberg (hz). Selbst adelige Abstammung schützt vor Strafe nicht. Um diese Erfahrung ist seit gestern eine blaublütige Seniorin reicher.
Die 74-jährige gebürtige Bielefelderin, die jetzt in der Nachbargemeinde Werther lebt, hatte am 6. März dieses Jahres mit ihrem BMW beim Ausparken auf einem Supermarktparkplatz in Großdornberg einen abgestellten Pkw vom Typ Saab gerammt. Dann, so berichtete ein Zeuge des Geschehens gegen 10 Uhr an der Wertherstraße, habe die ergraute Dame am Steuer der BMW-Limousine das Weite gesucht. Vor Amtsrichter Wolfgang Heimann stritt gestern die Adelige die Tat allerdings rundweg ab, beschimpfte den Tatzeugen als »kleinen Wichtigtuer« und zeigte sich überhaupt völlig uneinsichtig, eine Straftat begangen zu haben.
Zwar bestritt die 74-Jährige nicht, anlässlich eines Arztbesuches am 6. März 2006 den Supermarktparkplatz befahren zu haben. Dort habe sie jedoch keinen anderen Wagen mit ihrem Pkw gerammt und 600 Euro Sachschaden angerichtet. Weil auf der Fläche vorm Geschäft kein freier Platz mehr zu finden gewesen sei, habe sie ihren BMW vielmehr an der Wertherstraße abgestellt. Erst nach Rückkehr in die heimischen vier Wände will die Angeklagte per Anruf von der Bielefelder Polizei erfahren haben, dass sie eine Unfallflucht begangen hatte.
Der Tatzeuge des Geschehens, ein 58-jähriger Bielefelder, hatte die Angelegenheit allerdings in ganz anderer Erinnerung. Die blaublütige Dame, schilderte der Mann gestern vor Gericht, habe sehr wohl direkt vorm Supermarkt geparkt. Beim Ausparken sei die 74-Jährige mit ihrem BMW über die Fahrspur vor ihrer Parkbucht direkt vor einen gegenüber abgestellten Saab geschossen: »Ich stand unmittelbar an den Autos, als es passierte. Als BMW und Saab zusammentrafen, hat es einen richtigen Bums gegeben.« Er habe noch per Handzeichen und per Klopfzeichen an die Autoscheibe die »recht hektisch wirkende« Seniorin im BMW auf den Blechschaden aufmerksam gemacht, doch diese habe nach kurzer Wartezeit an der Unfallstelle den Parkplatz verlassen.
Angesichts dieser detaillierten und glaubwürdigen Zeugenaussage ließ sich die Einlassung der blaublütigen Dame vor Gericht nicht mehr aufrechterhalten. Auf Anraten ihres Anwaltes zog die 74-Jährige ihren Einspruch gegen einen Strafbefehl über 600 Euro zurück. Damit, meinte Amtsrichter Heimann zum Abschluss, sei die Adelige immer noch bestens bedient. Angesichts ihrer monatlichen Einkünfte von etwa 1800 Euro hätte die Geldstrafe für die Unfallflucht eigentlich dreimal höher ausfallen müssen.

Artikel vom 05.10.2006