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Hindernis klar zu sehen

Auch der Transrapid-Zugführer hat Fehler gemacht

Lingen/Lathen (dpa). Das Transrapid-Unglück im Emsland mit 23 Toten (darunter auch ein Ehepaar aus Pr. Oldendorf im Kreis Minden-Lübbecke) vor fast zwei Wochen wird möglicherweise nie komplett aufgeklärt werden.
Unter der Trasse mit dem Wrack des Transrapids legten Angehörige Blumen ab. Foto: dpa

Nach Aussagen von Staatsanwaltschaft und Polizei haben sowohl die Mitarbeiter im Leitstand als auch der verantwortliche Zugführer Fehler gemacht. Der Leitstand habe den Zug fatalerweise für eine manuelle Fahrt freigegeben, obwohl er von dem Servicewagen auf der Strecke wusste, sagte der Sprecher der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Alexander Retemeyer. Aber auch der bei dem Unglück getötete Zugführer hätte das scheunentorgroße Hindernis vom Startpunkt des Zuges aus sehen können und daher nicht losfahren dürfen. Weshalb er dennoch losfuhr, werde vielleicht für immer rätselhaft bleiben.
Gegen die Betreiber der Versuchsstrecke oder die Eigentümer des Zuges werde derzeit nicht strafrechtlich ermittelt, sagte Staatsanwalt Jörg Schröder. Gegen die von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr erteilte Betriebsgenehmigung sei nach dem bisherigen Ermittlungsstand nicht verstoßen worden. Sowohl der Betrieb des Servicewagens auf der Strecke sei erlaubt gewesen als auch das Befördern von Fahrgästen im Transrapid, ergänzte Retemeyer. Formal sei jede Fahrt auf der Strecke eine Versuchsfahrt gewesen, gleich ob betriebsfremde Fahrgäste an Bord waren.
»Die beiden Leitstand-Mitarbeiter gelten für uns als Beschuldigte«, betonte Retemeyer. Beide stehen nach Angaben des Leiters der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim derzeit noch unter Schock und seien noch nicht befragt worden. Gegen beide Männer wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. Die Höchststrafe beträgt laut Staatsanwaltschaft bis zu fünf Jahre Haft.
Der bei dem Unglück getötete Zugführer galt nach Angaben der Staatsanwaltschaft als erfahrener Transrapid-Experte. »Er hat auch die Lokführer auf der Strecke in Schanghai eingewiesen«, berichtete Retemeyer. Hätte er das Unglück überlebt, würde auch gegen ihn ermittelt.

Artikel vom 05.10.2006