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Am Ende folgen Software-Probleme, Kabelsalate und weitere Missverständnisse fast zwangsläufig.

Leitartikel
Airbus-Krise

Politiker sind
keine
Chef-Piloten


Von Bernhard Hertlein
Gestern noch stolzer Adler, heute eine lahme Ente: Airbus ist in schwere Turbulenzen geraten. Dabei hatte der Leitvogel der europäischen Luftfahrtindustrie der US-Konkurrenz schon ordentlich die Kondensstreifen gezeigt. Doch zwei Ereignisse -Êder erfolgreiche Start des neuen Boeing-Langstreckenflugzeugs 787 Dreamliner und die Pannenserie beim Airbus-Projekt A 380 - haben die Situation binnen kurzer Zeit ins Gegenteil verkehrt.
Flugzeuge müssen fliegen. Am Boden kosten sie nur Geld. Die erneute Startverzögerung für den Riesenvogel A 380 (550 Sitzplätze) kommt den Hersteller besonders teuer. Verspätete und damit in den kommenden Jahren fehlende Einkünfte, Ausgleichszahlungen an die Fluggesellschaften Emirates, Lufthansa und Singapur Airlines oder andere Kompensationsleistungen für nicht eingehaltene Liefertermine sowie eventuelle Stornierungen, ganz abgesehen von dem schwer zu berechnenden Rufschaden -Êdas alles führt bereits zum Absturz des Gewinns vor Steuern und Zinsen (Ebit). Durch das Leck in der Produktion gehen dem Konzern von 2006 bis 2010 insgesamt mindestens 4,8 Milliarden Euro verloren. Die Aktionäre müssen voraussichtlich längere Zeit auf ihre Dividenden, die Belegschaft auf einen Teil der Arbeitsplätze und eventuell noch manches mehr verzichten.
Die Politiker vor allem in Deutschland und Frankreich sind gleich dreifach gefragt: als Vertreter der Anteilseigner, als Investoren (in Hamburg in die Verlängerung der Startbahn) und -Êwegen der drohenden regionalen Arbeitsplatzverluste - im Interesse ihrer Wähler. Ihre Antworten auf die Vorschläge des neuen Airbus-Managements, die Produktionen an einzelnen Standorten zu konzentrieren, kamen schnell und laut -Êzu schnell und vielleicht zu laut.
Es spricht manches für die Idee des neuen Airbus-Chefs Christian Streiff, die A 380-Produktion in Toulouse und die A 320-Fertigung in Hamburg zu konzentrieren. Jedenfalls spricht vieles gegen das jetzige Produktionspuzzle, bei dem beispielsweise der Rumpf des A 320 in Toulouse gebaut, danach in Hamburg die Inneneinrichtung montiert und dann das Flugzeug zur Endabnahme wieder nach Toulouse transferiert wird. Ähnlich verwickelt läuft die Produktion des A 380. Am Ende sind Software-Probleme, Kabelsalate und weitere Missverständnisse in der Feinabstimmung fast zwangsläufig.
So viel Verkehr bietet Luft für Einsparungen. Indem Airbus sie nutzt, sind nicht alle Probleme gelöst. Aber ohne dass vereinfacht wird, sind weder die Kosten noch die Qualität in den Griff zu bekommen. So gesehen sollten die europäischen Politiker jetzt den Fachmanagern das Steuer bei Airbus überlassen. Danach wird der größte europäische Flugzeugbauer schnell wieder an Höhe gewinnen. Im Vertrauen darauf, aber nicht, um den Status quo festzuschreiben, kann die staatseigene KfW-Bank ruhig einen Teil der DaimlerChrysler gehörenden EADS-Aktien übernehmen.

Artikel vom 05.10.2006