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Held mit Star-Potenzial

Doppel-Florettweltmeister Peter Joppich

Turin (dpa). Nach dem Triumph über Gegner, Zuschauer und geschwächten Körper war Peter Joppich einfach zu müde für große Gesten.

Der Florett-Weltmeister zeigte seine Freude kurz mit einem Jubelschrei auf der Planche und sank dann völlig ausgepumpt auf einem Stuhl zusammen. »Ich bin jetzt total happy und absolut platt«, sagte der 23-jährige Koblenzer mit blassem Gesicht nach dem 15:14-Sieg im Finale von Turin über den Italiener Andrea Baldini.
Überschwänglicher fiel der Jubel der Funktionäre des Deutschen Fechter-Bundes (DFeB) nach dem ersehnten Gold aus. Nach zwei Tagen ohne Medaille rettete Joppich den DFeB vor der totalen Einzel-Pleite und sorgte für den erhofften Rückenwind für die heute anstehenden Teamwettbewerbe.
Eine besondere Last hatte Joppich nicht gespürt, im Gegenteil. »Wenn ich am ersten Tag dran gewesen wäre, hätte es auch dann die erste Medaille gegeben«, sagte der Einzel-Weltmeister von 2003 und 2006 selbstbewusst. »Ich hoffe, dass Fechten wieder mehr in die Öffentlichkeit rückt. Bei mir selbst muss man sehen, was abläuft.«
Mit seinen Qualitäten könnte Joppich der dringend gesuchte deutsche Fecht-Held mit Star-Potenzial werden. Als der 20-Jährige 2003 in Havanna Überraschungs-Weltmeister wurde, berichteten Hochglanzmagazine über den smarten Blondschopf. Doch die Verdienstmöglichkeiten für den zielstrebigen und bescheidenen Fechter blieben beschränkt. In Italien werben die Fecht-Weltmeister für Autos und Kreditkarten, spielen in TV-Realityshows mit und kassieren so Millionen. 40 000 Euro ist dem dortigen Verband ein WM-Titel wert.
Bundestrainer Uli Schreck traut Joppich zu, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu werden. »Er kann was aus sich machen. Peter kann damit umgehen, er hebt nicht ab«, sagte der ehemalige Mannschafts-Weltmeister und -Olympiasieger. Er erkannte Joppichs Potenzial bereits in der B-Jugend, als dieser »noch zwei Köpfe kleiner war als alle anderen«.
Schreck bewundert an seinem Schüler, dass dieser »fast alles wegstecken kann«. Nach einer Regeländerung musste Joppich 2004 seine Fechtstil komplett umstellen. In diesem Jahr zwangen ihn eine Fußverletzung, eine Hirnhautentzündung und eine Rückenblessur zu längeren Trainingspausen.
Trotz des Vertrauensverhältnisses zwischen Trainer und Athlet bringt Joppich den erfahrenen Schreck noch immer aus der Fassung. »Ich bin wieder um Jahre gealtert«, sagte der Bundestrainer, als Joppich einmal den alles entscheidenden Treffer setzte. »Ich bin ja für meine Nervenstärke bekannt«, beruhigte ihn Joppich, der in 80 bis 90 Prozent der »engen« Gefechte siegreich blieb.
Das erfuhr auch sein Bonner Trainingskollege Benjamin Kleibrink, der im Viertelfinale 14:13 gegen Joppich führte und dann noch verlor. »Ihm gehört die Zukunft«, sagte Schreck über den 21-Jährigen nach dessen zweiten WM-Viertelfinale hintereinander.

Artikel vom 05.10.2006