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Neue Aggressoren
nicht kalkulierbar

Diskussion der Bertelsmann-Stiftung

Von Bernhard Hertlein
Frankfurt (WB). In einem Punkt war sich das Podium einig: Wir können nicht hinter die Zeit der Aufklärung zurück, selbst wenn immer mehr Menschen in Europa einen Mangel an allgemein gültigen Werten beklagen.
Werner Weidenfeld: Prinzip der Abschreckung funktioniert nicht mehr.


Reinhard Mohn gab den Anstoß, das sich die Bertelsmann-Stiftung seit 2005 intensiv mit der gesellschaftlichen Bedeutung religiöser Orientierung beschäftigt. Zu seinem 85. Geburtstag erschien kürzlich ein Sammelband »Werte, - was die Gesellschaft zusammenhält«. Gestern war derselbe Titel Thema einer Diskussion, zu der die Stiftung den Münchener Politologen Prof. Werner Weidenfeld, den indischen Soziologen Prof. Surendra Munshi, den Berliner Autor Prof. Otto Kallscheuer sowie Eckhard Fuhr, Feuilleton-Chef der Zeitung »Die Welt«, bei der Frankfurter Buchmesse eingeladen hatte.
Fuhr schlug zu Beginn einen Bogen vom 09.11.( Fall der Berliner Mauer, 1989) zum 11.09 (Anschlag auf das World Trade Center, 2001). Weidenfeld deutete beide Ereignisse als Ende eines festgefügten Interpretationsschemas. Das Prinzip der Abschreckung funktioniere nicht mehr, weil es den berechenbaren Gegensatz zwischen Demokratie und Marxismus nicht mehr gebe. Die neuen Aggressoren seien nicht kalkulierbar.
Munshi widersprach, das es keine Werte mehr gebe. Indien werde - trotz gegenteiliger Ereignisse - seit 50 Jahren von religiöser Toleranz, Demokratie und Marktwirtschaft zusammen gehalten: »Ähnliche Werte gelten natürlich auch in Europa.« Munshi ergänzte sie durch Menschenrechte, Weidenfeld durch Familie, Heimat und ein neues Interesse an religiösen Fragen. Teilweise seien diese Werte Antworten auf die Globalisierung. Kallscheuer betonte, es gebe keine religiöse Begründung für Gewaltakte, wie sie der Karrikaturenstreit provoziert und wie sie in Berlin im Zusammenhang mit der Mozart-Oper Idomeneo befürchtet wurde.

Artikel vom 06.10.2006