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Respekt vor glaubenden Menschen

Inszenierung wird aus Feigheit abgesetzt, nicht aber aus Einsicht


Zum Stopp der »Idomeneo«-Inszenierung in Berlin:
Zwei Punkte gibt es zu bedenken. Erstens ist die Freiheit der Kunst ein zentrales Gut, das nicht beschnitten werden sollte. Ganz im Gegenteil - für diese Freiheit sollte man sich einsetzen, sie stets verteidigen und weiter fördern, wo es geht. Zur Freiheit gehört Mut! Freiheit verlangt Einsatz und Anstrengung statt falsche Vorsicht oder Feigheit.
Künstlerische Darstellungen sollen aufrütteln, auf Missstände hinweisen und für Probleme sensibilisieren. Wenn Kunst diese Ziele erreichen will, muss sie auch gezielt die Provokation und die (stark) überspitzte Darstellung suchen. Sonst verfehlt Kunst etwas, was ihr Ureigenes ist. Und somit darf Theater natürlich nicht zahm und allen gefällig sein.
Aber auch ein Zweites sei angemerkt: »Stein des Anstoßes« war die Enthauptung einer Mohammed-Figur - und zwar als alleiniger Punkt. In der Inszenierung war jedoch auch die Enthauptung von Figuren weiterer drei Religionsstifter vorgesehen. Ist also die Darstellung deren Enthauptung in Ordnung? Provokant formuliert: Nur weil die Wahrscheinlichkeit, dass Christen das Theater sprengen würden, vermutlich geringer ist, darf man eine Jesus Christus-Figur enthaupten?
Freiheit der Kunst sowie der Mut zu deren Umsetzung - ja und unbedingt! Aber auch Respekt vor glaubenden Menschen - und genau in diesem Punkt ist das Theater zu kritisieren. Aus Angst und Feigheit wird die Inszenierung abgesetzt; nicht aber aus der Einsicht heraus, dass das religiöse Empfinden vieler Menschen in inakzeptablem Maß verletzt werden könnte. Die Darstellung der Enthauptung von Religionsstifter-Figuren geht als religionskritisches Zeichen grundsätzlich zu weit.
Freiheit ist nie völlig grenzenlos. In diesem Fall sollte eine Grenze des Anstands und des Respekts vor religiösen Menschen überschritten werden - schlimm aber, dass einzig die mögliche Bedrohung durch islamistische Gewalt auf dieses fundamentale Gut des Respekts und der Toleranz hinsichtlich religiöser Empfindungen anderer aufmerksam machen musste.
STEFAN H. MEYER-AHLEN33178 Nordborchen

Artikel vom 18.10.2006