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Wilhelm Busch

»Ach, jaja, so seufz' ich immer, denn die Zeit wird immer schlimmer. Oder kann in unser'n Tagen einer wagen, nein zu sagen?«

Leitartikel
Ungereimtes gestern, heute

In die
Tilgung fließt
kein Cent


Von Rolf Dressler
Der Mensch als solcher - wer wüsste das nicht? - neigt durchaus schon mal zu ziemlich fixen Be- und Verurteilungen.
Besonders locker gehen ihm deftige Flüche und flinke Verdammungssprüche immer dann von den Lippen, wenn »der« nimmersatte Staat und »die« säumigen, bürgerfernen oder fehlsteuernden Politiker sein Blut so richtig in Wallung bringen.
Ebensolche Zeiten durchleben und durchleiden wir hier in deutschen Landen just auch gegenwärtig wieder. Mit allen Sinnen. Bis hin zum Haareraufen. Das alles beschäftigt, beunruhigt und besorgt uns freilich nicht erst seit gestern.
Ließen sich die physikalischen Gesetze der Schwerkraft aushebeln, könnte man mit Fug und Recht von einem sonderbaren Ping-Pong-Spiel mit Medizinbällen sprechen, das die hohe Reformitis-Politik da wechselweise treibt: Gesundheitsreform, Rentenreform, Steuerreform 1, 2, 3, 4 - die Bocksprünge zwischen Hü und Hott verschlagen dem normalverständigen Wahlbürger und Abgaben(zwangs)entrichter den Atem, rauben bisweilen selbst dem Gutwilligsten beinahe auch noch den letzten Nerv.
Und zwar unabhängig davon, wessen Parteifarben in der Regierungszentrale gerade die Oberhand haben.
Natürlich fällt es schwer, Ruhe zu bewahren, wenn man hört, dass Schwarz-Rot Steuern und sonstige Abgabenlasten auf breiter Front erhöht, anstatt, wie hoch und heilig versprochen, private Massenkaufkraft und unternehmerische Investitionsfreude zu beflügeln. Gleichwohl gilt es, Augenmaß zu bewahren. Denn die Faust in der Tasche taugt als schlagendes Argument erfahrungsgemäß kaum etwas. Schon gar nicht im harten, aber fairen, Widerstreit von Demokraten.
Wahr ist aber auch, dass verschiedene altgewohnte Steuervorteile und Sonder-Abschreibungsmöglichkeiten überflüssig und oftmals schlicht ungerecht waren und daher schon längst hätten abgeschafft werden müssen. Allem Wut- und Wehgeschrei eigensüchtiger Klientel- und Interessengruppen zum Trotz.
So manches andere indes kann nur Unverständnis und Verdruss auslösen. Warum zum Beispiel werden den Krankenkassen die anteiligen Einnahmen aus der Tabaksteuer genommen (mit der Folge, dass wir höhere Beiträge zu zahlen haben), während die Regierenden zugleich munter beschließen, größere Teile der Krankenkassenausgaben künftig aus dem Steuertopf zu finanzieren? Ähnliche Ungereimtheiten produziert nach wie vor leider auch Schwarz-Rot.
Der Haupt(versäumnis)-Tatbestand der herrschenden Politik aller Farben aber bleibt seltsamerweise fast ganz außer Betracht:
- Die Bürger erfahren nicht, wo- für genau auch die Steuer-Zusatzeinnahmen verwendet werden.
- Und: Bislang floss noch nicht ein einziger Cent in die Tilgung (!) unserer horrenden, 1,5 Billionen schweren Staatsschuldenlast.

Artikel vom 07.10.2006