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In bewährter Klangfülle
und Frische

Konzertchor Bielefeld gab Debüt

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Eigentlich ist alles beim Alten geblieben: Chor, Dirigent und Orchester sind weitgehend die selben, die noch im Dezember bei der schwungvoll-vitalen Aufführung des Bachschen Weihnachtsoratoriums in der Oetkerhalle förmlich über sich hinausgewachsen waren.

Damals noch unter dem Dach des Universitätschores, konnte der aus diesem Anfang des Jahres hervorgegangene, neu gegründete »Konzertchor Bielefeld« die geweckten Erwartungen bei seinem Konzertdebüt indes nicht gänzlich befriedigen. Überzeugte der gewaltige und traditionell um Oratorienchor Münster erweiterte Bielefelder Chor beim Weihnachtsoratorium mit einer bis in feine Details ausgehorchten Wiedergabe der ersten drei Kantaten, so ließen die Sänger und Sängerinnen beim Mozart-Requiem genau jene Stärke vermissen. Das verwundert, zumal der von allen geliebt und geschätzte Michael Preiser, gewählter Leiter des Konzertchores, eigentlich schon bewiesen hatte, dass er einen mächtigen Klangkörper nuanciert zu lenken versteht.
Vielleicht schwang da noch die Euphorie ob der unter schmerzvollen Wehen geglückten Chorgeburt mit, die zu einer eher irdisch-weltlichen, denn transzendenten Werkdeutung führte. So wurde in Tempo und Dynamik kaum unterschieden zwischen Totengedenken, Fürbitte und apokalyptischen Zukunftsängsten, so dass bei kraftvoller Klanggestaltung zwar dramatische Intensität und Spannung zeitweise einen soghaften Reiz entfalten konnten, von anmutig berückender Empfindungstiefe indes wenig herüber kam. Daran konnten letztlich auch die soliden Leistungen des Kourion-Orchesters und des Gesangssolistenquartetts (Susanne Ellen Kirchesch, Sopran; Verena Allertz, Alt; Oliver Uden, Tenor; Vadym Shvydkiy, Bass) wenig ändern.
Immerhin punktete der Chor mit der bewährten Klangfülle und -frische sowie mit artikulatorischem Schliff. Indes, Preisers via Programmvorwort geäußerte Offerte, dass »die Loslösung aus den Erfordernissen einer Lehrveranstaltung mehr Platz für eine auf Kontinuität bedachte, langfristige und intensive gesangliche und chorklangliche Formung des Ensembles ermöglichen« werde, muss erst noch eingelöst werden.
Neue Akzente setzte Preiser dennoch und zwar durch die Kombination von Chor- und Instrumentalkonzert, namentlich Schumanns Cellokonzert, für das der junge, charismatische Ausnahmecellist Nicolas Altstaedt gewonnen werden konnte. Ein Genuss, wie der in Gütersloh aufgewachsene Virtuose seinen Part leidenschaftlich-intensiv aushorchte, wie sich affektvolle Klangrede, warmherziges Kantilenenvibrato und impulsive Frische zu einem geheimnisvollen Zauberreich formten.

Artikel vom 03.10.2006