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Ein Junge erwacht aus
süßem Drogendämmer

»Glück in kleinen Dosen« ist eine böse Satire


In Hillside scheint den ganzen Tag die Sonne, das Gras ist so grün wie nirgendwo sonst, und die Menschen sind glücklich - wenn sie denn ihre Pillen bekommen. Diese kalifornische Bilderbuchvorstadt funktioniert nur, weil genügend Psychopharmaka in Umlauf sind.
»Glück in kleinen Dosen« ist ein schön verpackter Alptraum, bevölkert von dauerlächelnden Erwachsenen und früh vergreisten Jugendlichen, die ihren Gameboy mit der Realität verwechseln. Aber irgendwann helfen auch die buntesten Pillen nicht mehr: Der Schüler und Drogendealer Troy begeht Selbstmord, und sein bester Freund Dean (Jamie Bell aus »Billy Elliot«) erwacht langsam und schmerzhaft aus dem süßen Dämmerzustand.
Regie-Neuling Arie Posin hat mit »Glück in kleinen Dosen« eine hochkarätig besetzte, kurzweilige, bisweilen sehr böse Satire auf typisch amerikanische Vorstädte und Lebensformen inszeniert - mit vielen treffenden Seitenhieben, einigen Längen, einem unglücklichen deutschen Verleihtitel und sehenswerten Schauspielern. Auf dem Sundance Festival wurde »The Chumscrubber« (Originaltitel; ungefähr: Kameradenschwein) sehr positiv aufgenommen und mit Richard Kellys Kultfilm »Donnie Darko« verglichen.
Der Wahnsinn hat Methode in Hillside, und Dean benötigt einige Zeit, um das Spiel hinter der psychedelisch-bunten Fassade zu durchschauen. Bisweilen mutet er in dieser Gute-Laune-Hölle wie ein Außerirdischer an. Sein maßlos eitler Vater Bill (William Fichtner) denkt nur an die Karriere, die Mutter backt den lieben langen Tag Pfannkuchen, und der kleine Bruder hockt dauernd vor der Glotze. Dean bekommt Ärger, weil nach Troys Tod die Drogen knapp werden - er soll Nachschub beschaffen. Mit einer bizarren Entführung machen die Junkies der Schule mächtig Druck.
Und es kommt noch schlimmer. Der attraktive Bürgermeister Michael Ebbs (Ralph Fiennes), der noch von früher einen Dachschaden hat, träumt von Delphinen, wird aber von Frauen umschwärmt. Die Trauerfeier für Troy wird zum Entsetzen seiner Mutter (Glenn Close) dank verbotener Substanzen im Gemüseauflauf zur Lachnummer, bei der völlig enthemmte Erwachsene übereinander herfallen. Eigentlich sind in dieser respektlosen Satire alle Protagonisten ziemlich gaga.

Artikel vom 05.10.2006