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Weiße Weste und kleine Flecken

Nach dem 2:0 gegen Georgien: Trainer Löw hat Probleme in der Abwehr

Von Klaus Lükewille
Rostock (WB). Vier Siege. 19:0 Tore. Der Mann, der an diesem Abend in Rostock einen dunkelblauen Pullover trug, er hat immer noch eine weiße Weste. Einen so »sauberen« Einstand wie Joachim Löw feierte bisher noch kein deutscher Fußball-Bundestrainer.

3:0 gegen Schweden. 1:0 gegen Irland. 13:0 gegen San Marino. Und jetzt 2:0 gegen Georgien. Doch das wird nicht immer und ewig so weiter gehen, das weiß auch Löw: »Ich freue mich aber sehr, das wir nach der begeisternden Weltmeisterschaft weiter unseren sehenswerten Spaß-Fußball präsentiert haben.«
Schon am Mittwoch könnte Schluss mit lustig sein. Dann steht in Bratislava eine hohe EM-Qualifikations-Hürde. Die Slowakei schickte aus Wales schon einmal fünf Warnschüsse. Löw zeigte sich beeindruckt: »Wir wissen, wie stark die sind. Wir wissen, was uns bei diesem Duell erwartet.«
Der erste echte Härtetest nach der WM. Rostock war dagegen nur ein lockerer Übungsabend. Fünf Stützen raus, vier Neulinge rein. Der Bundestrainer konnte sich diese Wechselspielchen erlauben, er sah die 90 später so: »Verantwortung übernehmen und Chancen nutzen, das waren die wichtigsten Aspekte dieser Partie.«
Im Mittelfeld erfüllten zwei Spieler seine Erwartungen. Michael Ballack und Bastian Schweinsteiger teilten sich die Führungsaufgaben, sie zeichneten sich zudem wieder einmal als Torschützen aus. Zunächst legte Ballack den Ball zum 1:0 vor, dann bedankte sich sein ehemaliger Bayern-Kollege nach der Pause mit einer Maßvorlage, die der Kapitän eiskalt zum Endstand verwertete.
Zwei »Verantwortliche« - und viele Spieler, die sich ebenfalls für erstklassige Rollen aufdrängen wollten. Von den Neuen hinterließ Piotr Trochowski den besten Eindruck. Mit Timo Hildebrand, Thomas Hitzlsperger, Mike Hanke und David Odondor standen vier Kandidaten in der ersten Elf, die zwar schon zum WM-Kader gehörten - aber noch nie zur Stammformation. Während Odonkor in seinem ersten Länderspiel über die vollen 90 Minuten einen guten Eindruck hinterließ und auch Hanke mit viel Einsatz auf sich aufmerksam machte, konnten sich Hildebrand und Hitzlspergeber nicht empfehlen. Kein Zufall: Sie zählten zu dem Mannschaftsteil, der an der Ostsee stürmische Zitterphasen zu überstehen hatte.
Denn die Abwehr, sie wankte und wackelte. Arne und Manuel Friedrich waren nicht immer auf Ballhöhe, aber Löw hat in der Innenverteidigung nach den Ausfällen von Christoph Metzelder und Per Mertesacker keine Alternative.
Die Null steht zwar nach der WM weiter wie eine Eins, doch der Bundestrainer entdeckte ein paar kleine Flecken auf der weißen Weste und musste zugeben: »Das Glück war auf unserer Seite, heute hätten wir mehrfach einen Treffer kassieren können.«
Eine Meinung, die Kollege Klaus Toppmöller sofort teilte: »Der deutsche Sieg geht in Ordnung. Aber ein Tor hatten wir auch verdient.« Einmal klatschte der Ball nur an die Latte, zwei Mal jubelten die Georgier etwas zu früh. Abseits.
Da steht die Mannschaft auch in der EM-Qualifikation. Frankreich, Italien und die Ukraine, bei dieser Konkurrenz ist Gruppen-Platz zwei nicht drin und Toppmöller schon froh, dass sich Georgien unter seiner Regie in der Weltrangliste auf die 93. Stelle vorschieben konnte: »Aus Partien gegen so starke Mannschaften wie Deutschland können wir nur lernen.«
Ganz schön dick aufgetragen, dieses Lob. Denn es begann eine DFB-Elf, die in dieser Formation mit Sicherheit nie wieder so antreten wird. Rostock erlebte das vorläufige Ende der Experimente. Und genau deshalb blickte Löw, bei allem Respekt vor dem nächsten Rivalen, zuversichtlich dem Mittwoch entgegen: Jens Lehmann, Philipp Lahm, Torsten Frings, Bernd Schneider und Miroslav Klose - sie alle sind in der Slowakei natürlich wieder dabei.

Artikel vom 09.10.2006