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Vollgas geben für einen Traum

Rennfahrer Michael Sälzer möchte den Formel 3 Cup als »Sprungbrett« nutzen

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Die Tachonadel steht bei ihm jenseits der 200: Bielefelds schnellster Bäckergeselle gibt Vollgas für einen Traum. Michael Sälzer möchte die Formel 3 als Sprungbrett nutzen, um so den Einstieg in die Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft oder gar in die Formel 1 zu schaffen. Ein steiniger Weg, ein teurer dazu - und Stoff für eine anrührende Liebesromanze. Denn der wichtigste Sponsor des 22-Jährigen ist momentan seine Freundin Cigdem, die ihm am 18. Oktober Testfahrten auf dem Eurospeedway Lausitz unter den Augen einer Fachjury finanziert.

Diese siebenstündige Mittwoch-Sichtung der rhino's energy drink & food AG aus Österreich für den Recaro Formel 3 Cup, einer Rennserie mit zehn Veranstaltungen und 20 Meisterschaftsläufen, stellt die bislang wichtigste Herausforderung in seiner Sälzers noch junger Karriere dar. Denn dort winkt eine Zukunft im Motorsport: rhino's und Leipert Motorsport aus Wegberg um Teamchef Ingo Leipert stellen dem Sieger (55 000 Euro) und Zweitplatzierten (40 000 Euro) längerfristige Unterstützung und Schulung in Aussicht. Eine Art Rundum-Sorglos-Paket mit theoretischer Fahrerausbildung, psychologischer Betreuung, Fitnesstraining, Ernährungslehre, Umgang mit den Medien. Diese einmalige Chance will sich der Bäckerbursche, um jede Förderung verlegen, nicht entgehen lassen. Nichtsdestotrotz kostet eine Saison im Formel 3 Cup rund 120 000 Euro.
Sälzers SOS-Rufe im Internet lesen sich im Motorsport-Portal so: »Junges, schnelles Motorsporttalent bietet Sponsor Fläche auf Formel Junior Masters Boliden.« Oder: »Da ich nicht genügend Sponsorengelder auftreiben kann, verkaufe ich Fanartikel.« Sälzers ebay-Sortiment weist neben den üblichen Sweatshirts, Poloshirts, Baseballkappen oder Tassen auch noch Grillschürzen, Babylätzchen, Boxershorts oder Spaghetti-Tops für das weibliche Geschlecht auf.
Ebenso versucht der Stammgast der Kartbahn in Werther mit Flugblättern Aufmerksamkeit zu erheischen und buhlt um potente Förderer, die in ihn investieren, damit sich sein Traum von einer Saison im Recaro Formel 3 Cup verwirklichen lässt.
Michael Sälzer kommt gebürtig aus Bad Frankenhausen in Thüringen, am Südhang des Kyffhäuers. »Der Aufschwung ist an der Gegend irgendwie vorbei gegangen,« bedauert der Bäcker, der mit Ergreifung dieses Metiers die Tradition des Großvaters und Vaters fortgesetzt hat. Die überschaubaren wirtschaftlichen Verhältnisse in der Sole-Kurstadt waren zugleich der Antrieb dafür, sich vor gut fünf Jahren am Teuto eine neue Existenz aufzubauen. Frühaufsteher Sälzer arbeitet seither in der Bäckerei Pörschke in der Stapenhorststraße.
Zwei Vorbilder weisen dem Inhaber der nationalen A-Lizenz die Richtung: Zum einen der legendäre Ayrton Senna, »wegen seiner mentalen Stärke.« Zum anderen sein Vater, der ihm das außergewöhnliche Talent in die Wiege gelegt hat. Ronald Sälzer war 1986 Dritter der DDR-Meisterschaft in der Rennwagenklasse E bis 600 ccm und arbeitet heute seinem Filius zu, wo er kann. »Wenn er zufrieden ist, weiß ich, es war gut,« sagt Michael Sälzer über seinen Kritiker und Mentor.
Ronald Sälzer hatte früher einen Rennwagen in seiner Garage stehen. »Als ich noch ganz klein war, hat er ihn mal angelassen. Da bin ich um mein Leben gelaufen,« erinnert sich der Junior schmunzelnd. Spätschäden sind keine geblieben - im Gegenteil: Von Anfang an bewies der 22-Jährige ein sehr gutes Gespür fürs Fahrzeug, machte bei Testtagen auf dem Flugplatz von Aschersleben oder im tschechischen Most mit überdurchschnittlich schnellen Rundenzeiten auf sich aufmerksam. Heuer gehört Sälzer zum »Stall« des früheren Motorsportlers Willi Mönnekes, der sein eigenes Team (WMSporting) aufgebaut hat, um Nachwuchstalente aufzubauen.
Freundin Cigdem hat ihren Job als Industriekauffrau in Hannover inzwischen aufgegeben und ist ihrem Michi nach Bielefeld gefolgt. Sie will hier ein Studium der Wirtschaftswissenschaften aufnehmen. Im Gästebuch der Homepage von Sälzer-Racing wünscht sie ihrem Darling »viel Glück, Kraft und Energie. Man erreicht alles im Leben, wenn man nur fest daran glaubt. Ich habe dich doch auch gefunden. Das ist der beste Beweis, dass Träume in Erfüllung gehen. Wir sind ein starkes Team.« Das freilich noch Sponsoren und Förderer vertragen kann. Wäre fürs erste ein schönes Happyend.
www.Saelzer-Racing.ag.vu

Artikel vom 06.10.2006