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Er ist wieder wer: Bill Clintons
Kurve zeigt steil nach oben

Der frühere US-Präsident sprach vor 1000 zahlenden Managern in Iserlohn

Von Reinhard Brockmann
Iserlohn (WB). Bill Clinton ist wieder da - in den USA sowieso, jetzt auch in Europa. In gut einer Woche hat er 7,3 Milliarden Dollar beim Wohltätigkeitsball der Superreichen gesammelt, ist vor laufender Kamera wegen George Bush ausgerastet, hat beim Labourparteitag Tony Blairs Vergangenheit beschworen und war am Freitag Gast in Iserlohn.

Ganz klar: Dem 60-Jährigen sind Golf und Memoiren zu wenig. »Uns geht es gut, und die Welt war gut zu uns«, sagte Clinton dem Campus-Symposium in der Sauerländer Hochschule. Er sprach vor 1000 zahlenden Managern und 200 Studenten, die sich diesen ungewöhnlichen Kongress selbst erarbeitet hatten. Der hünenhafte Blondschopf beherrscht sofort jeden Raum, den er betritt. Die eine Hand lässig in der Tasche, doziert er frei über Wohlfahrt und Weltpolitik.
Er beklagt die größte Terrorwelle aller Zeiten, streut ein, dass es zu seinen Amtszeiten weniger Opfer gab in Nahost und auch am Hindukusch und beklagt, dass George W. Bush den Kurs des versöhnlichen Dialogs so sträflich vernachlässigt habe.
Knallharte Vorwürfe, menschliche Verbindlichkeit. Wie soll die Zukunft aussehen? Clinton hat Rezepte, aber er führt sie über sein Publikum ein. Er warnt davor, mit der Erderwärmung russisches Roulette zu spielen. Bildung ist seine andere große Mission. Und spätestens dabei reicht sein Blick über USA und Europa hinaus. Es geht um gleiche Chancen, vor allem in der weniger entwickelten Welt.
Das Internet, die globale Verbindung von allem mit allem habe eben zwei Seiten. Die Vernetzung lasse die Benachteiligten deutlich fordern und sie zwinge die Wohlhaben den mehr zu teilen. Clinton: »Die Welt ist ungleich, instabil und nicht nachhaltig«. So einfach wie die Analyse ist die Lösung: »Wir müssen die positive Seite stärken, die negative, den Terror, dagegen bekämpfen.«
Unverwüstlicher Magnetismus ist der harte Kern der »Clinton Global Initiative«. Im Club der »Friends of Bill« in den USA beträgt der Eintritt 15 000 Dollar, nur um auf offener Bühne eine noch höhere Selbstverpflichtung einzugehen. So etwas beginnt mit 100 000 Dollar, geht bei richtigen Milliardären aber auch in die Milliarden. Wofür? Aids bekämpfen, Armut verringern, Klima besänftigen oder auch ethnische Konflikte entschärfen.
Allerdings: Meetings, wie jüngst in New York, mit Barbra Streisand, den Google-Gründern und Warren Buffet sind kein Tingeltangel. Wer nach einem Jahr mit seinem Geld nichts erreicht hat, braucht nicht wiederzukommen. Clinton sagt: »Dann gibtÕs keine keine Einladung mehr.« Das ist die Höchststrafe.
Clinton ist wieder wer. Nach dem Auszug aus dem Weißen Haus, teuren Prozessen und vier Bypässen vor zwei Jahren, steigt die Clinton-Kurve wieder steil an. Er rügt den Papst wegen der Regensburger Rede, er attackiert Bush wegen unterlassener Gefahrenabwehr und sieht sich im Geheimdienstreport bestätigt, wonach der Irakkrieg den Terrorismus noch gefördert hat.
Beim Labour-Parteitag spricht er gar pro Tony Blair und für eine bessere Einsicht: »Da wir nicht alle unsere Feinde töten oder einsperren oder ihr Land besetzen können, müssen wir auch etwas Zeit und Geld darauf verwenden, mehr Partner zu finden und weniger Feinde.«
Weltpolitiker und Weltwohltäter, dazwischen steht Clinton, dessen Ehefrau Hillary als Senatorin von New York bereitstehen könnte für die Kandidatur 2008. »Meine Frau wäre eine wunderbare Präsidentin«, machte der Ex seiner Frau neue Avancen - als kommender »First Gentleman« und »King of Charity«.

Artikel vom 30.09.2006