02.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

SPD fordert
Machtwort
der Kanzlerin

Streit um die Gesundheitsreform

Berlin (dpa). Kurz vor der entscheidenden Koalitionsrunde zur Gesundheitsreform hat die SPD von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Machtwort gefordert und mehr Solidarität der Unions-Ministerpräsidenten angemahnt.

Die CDU-Länderregierungschefs Jürgen Rüttgers und Günther Oettinger äußerten erhebliche Zweifel am Gelingen der Reform. Heute trifft sich die Koalitionsarbeitsgruppe zur Gesundheitsreform zu ihrer voraussichtlich abschließenden Sitzung. Am Mittwoch sollen bei einem Spitzentreffen letzte Konfliktpunkte zur Privatversicherung und zum Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Kassen ausgeräumt werden.
SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, Merkel solle erklären, »was sie will und auch, dass sie es zur Not gegen den Widerstand einiger Ministerpräsidenten durchsetzen will«. Ein Kanzler müsse »an irgendeiner Stelle sagen: So will ich das haben. So wird das gemacht«. SPD-Chef Kurt Beck erklärte auf einer Parteikonferenz, es gehe nicht an, dass Länder wie Bayern und Baden-Württemberg am Tag der deutschen Einheit regelmäßig »Solidaritätsschwüre« ablegten, diese aber - wenn es ernst werde - sofort wieder in Frage stellten. Die süddeutschen Länder lehnen den vorgesehenen Risikoausgleich zwischen den gesetzlichen Kassen ab.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte Merkel. Jeder Ministerpräsident sei zunächst den Interessen seines Landes verpflichtet: »Mit Machtworten geht da nichts.« Schäuble warnte vor einem dauerhaften Ansehensverlust der großen Koalition, wenn der Streit über die Gesundheitsreform nicht rasch beigelegt werde. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) rügte »das öffentliche Gerede« um die Reform und forderte auch die Unions-Ministerpräsidenten zu mehr Zurückhaltung auf.
NRW-Ministerpräsident Rüttgers sagte: »Bei der Debatte fehlt mir bisher die grundsätzliche Klärung, welches System wir überhaupt haben wollen. Noch weiß da keiner, wo es hinlaufen soll.« Baden-Württembergs Regierungschef Oettinger kritisierte bei einer vertraulichen Gesprächsrunde Merkels Strategie. »Es war von vorneherein abwegig, so große Erwartungen in Zusammenhang mit der Gesundheitsreform zu wecken«, zitiert ihn der »Spiegel«. »Die große Gesundheitsreform wird es nicht geben, höchstens einige Projekte.«
Der Wirtschaftsweise Bert Rürup, der von der CDU als Experte zur Lösung des Gesundheitskonflikts hinzugezogen wurde, empfahl Merkel, den Sozialausgleich stärker über Steuern zu finanzieren. Die Koalition hatte sich darauf verständigt, dass Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben dürfen, wenn sie mit den Zuweisungen aus dem geplanten Gesundheitsfonds nicht auskommen. Die SPD will den Zuschlag anders als die Union auf höchstens ein Prozent des Haushaltseinkommens begrenzen. Rürup lehnt die »Überforderungsklausel« ab und empfiehlt pauschale Prämien. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sprach sich für einen Fixbetrag aus. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 02.10.2006