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Nach 30 Jahren zurück auf der
Bielefelder Alm

Erna Brandhorst (95) besucht Arminia

Von Peter Monke (Text und Fotos)
Brackwede (WB). Erna Brandhorst hat seit Tagen mächtig Lampenfieber. Ihr großer Traum, noch einmal zu einem Spiel ihres Lieblingsvereins Arminia Bielefeld ins Stadion zu kommen, rückt für das älteste weibliche Mitglied des DSC immer näher. Am Samstag war es endlich soweit. Die 95-Jährige verfolgte auf Einladung des Vereins die Partie gegen Energie Cottbus von Loge 24 aus.

Ihr letzter Besuch im Stadion liegt mindestens dreißig Jahre zurück - kein Wunder also, dass Erna Brandhorst »ihre« Alm, die mittlerweile Schüco-Arena heißt, fast nicht wiedererkannt hätte. »Meine Güte sind die Tribünen hoch«, staunt die 95-Jährige, als sie im blauen Fanmobil, von dem sie zu Hause abgeholt wurde, am Stadiontor vorfährt und begeistert die Fanmassen beobachtet, die von allen Seiten zur Arena strömen. »Wenn ich könnte, würde ich denen am liebsten allen ein Bier spendieren.«
Eingewickelt in die blaue Arminia-Trainingsjacke und den Fanschal mit der Mitgliedsnummer 6276 um den Hals gewickelt, geht es unter der Leitung von Fan-Betreuer Alexander Friebel unters Dach des Stadions zu den Logen - vorbei an der Sprecherkabine von Lothar Buttkus, der mit der Fußball-Oma gleich ein kleines Schwätzchen hält. In der Loge wartet bereits DSC-Vorstandsmitglied Andreas Mamerow, um Erna Brandhorst persönlich zu begrüßen. Die Plätze sind erstklassig - über die alte Stehplatztribüne hinweg hat man einen tollen Blick auf die Dächer von Bielefeld mit Teutoburger Wald und Sparrenburg im Hintergrund.
Doch für derlei Dinge hat die Fußball-Oma keine Zeit, gilt es doch in diesem Moment die einlaufende Mannschaft des DSC fröhlich klatschend zu begrüßen. Kritisch verfolgt sie die Aufwärmeübungen der Spieler: »So wie die Cottbuser jetzt schon rennen, sind die aus der Puste, wenn es gleich drauf ankommt. Wir gewinnen ganz bestimmt mit 2:1.«
Der Start des Spiels ist wenig viel versprechend. Schnell geht Cottbus mit 1:0 in Führung, erspielt sich Chance auf Chance. »Wenn es so weiterläuft, geh' ich gleich nach Hause«, wettert Erna Brandhorst, um im nächsten Moment dem Schiedsrichter ein aufgebrachtes »Pass' bloß auf Du!« entgegen zu schleudern, als der ein unberechtigtes Foul gegen Arminia pfeift. Bis zur Pause fruchtet die Anfeuerung nicht, dafür schaut Fatmir Vata kurz vorbei und verspricht Erna Brandhorst, schnell wieder gesund zu werden.
Der Frust der ersten Halbzeit verfliegt schlagartig, als Zuma das 1:1 gelingt. Jetzt ist die 95-Jährige in ihrem Element, schwenkt begeistert den Fanschal und ruft »Bielefeld, Bielefeld«. Nur beim »Steht auf, wenn ihr Arminen seid«, muss sie passen. »Dafür brauche ich erst ein paar neue Beine.« Schnell folgen die Treffer zum 2:1 und 3:1, so dass sich Erna Brandhorst entspannt zurücklehnen kann, um den Schluss des Spiels zu genießen.
Nach dem Abpfiff, will sie am liebsten im Stadion übernachten. »Das war ein so wunderschöner Tag, das muss begossen werden«, sagt sie und verdrückt ein paar kleine Freudentränen. Spontan erfüllen die Arminia-Verantwortlichen diesen Wunsch. Im VIP-Raum darf Erna Brandhorst mit DSC-Torwart Mathias Hain auf den 3:1-Erfolg anstoßen.
Als sich die Fußball-Oma bei Andreas Mamerow für den tollen Nachmittag bedankt, fragt sie ganz vorsichtig, ob sie noch einmal wiederkommen darf. Die Antwort ist eindeutig: »Ich bestehe darauf. Auf ein solch tolles Maskottchen wie Sie, kann Arminia Bielefeld nur schwer verzichten.« Und noch etwas gibt Mamerow der 95-Jährigen mit auf den Weg: »Wenn Sie 100 werden, machen wir eine große Feier im VIP-Raum - mit der ganzen Mannschaft.«

Artikel vom 02.10.2006