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Schmidt erwartet rasche Lösung

Gesundheitsreform: Merkel sorgt mit Vorstoß für stabile Beiträge für Verwirrung

Berlin (dpa). Mitten im heftigen Koalitionsstreit über die Gesundheitsreform hat der Vorstoß von Kanzlerin Angela Merkel für stabile Versicherungsbeiträge für Verwirrung gesorgt.

Nach ihren Worten könnte der erwartete Beitragsanstieg um 0,5 Prozentpunkte bei höheren Steuerzuschüssen als geplant möglicherweise verhindert werden. »Wir werden im Lichte der Zahlen, die wir am Jahresende haben, darüber entscheiden«, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag. Das Bundesgesundheitsministerium verwies darauf, dass die Krankenkassen zusätzliche Steuermittel auch anders verwenden könnten.
Ministerin Ulla Schmidt (SPD) hält trotz des andauernden Streits eine rasche Lösung für absehbar. »Ich erwarte, dass wir in den nächsten Tagen entscheiden können«, sagte Schmidt. »Wir haben 96 bis 97 Prozent der Umsetzung der Eckpunkte geleistet.«
Die Verhandlungen der Fachpolitiker waren am Vortag nach mehr als zwölf Stunden ergebnislos vertagt worden. Zwischen Union und SPD ist strittig, wie grundsätzlich die geplanten Wechselmöglichkeiten für Privatversicherte organisiert und wie umfangreich Geld zwischen den gesetzlichen Krankenkassen umverteilt werden soll.
Der Verband der privaten Krankenversicherung drohte mit Verfassungsklage auch gegen einen Kompromissvorschlag der Union für die Privatkassen. Die Fachpolitiker wollen am Montag weiter verhandeln. Führende Koalitionspolitiker haben eine Lösung des Streits in einer Spitzenrunde am Mittwoch in Aussicht gestellt.
Regierungssprecher Wilhelm wies Spekulationen zurück, dass Merkel mit ihrer Ankündigung möglicher höherer Steuerzuschüsse von dem Gesundheitsreform-Streit ablenken wolle. Auch könne er eine Kehrtwende der Kanzlerin nicht erkennen. Neben der Haushalts-Konsolidierung sei es auch das Ziel der Koalition, die Lohnnebenkosten weiter zu senken.
Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag verständigt, die Steuerzuschüsse zur Krankenversicherung von 4,2 Milliarden in diesem Jahr auf 1,5 Milliarden im nächsten Jahr zu senken. Merkel hatte angekündigt, dass 2007 mehr Steuergeld als geplant an die Kassen fließen könnte, wenn Mehreinnahmen des Fiskus' dies ermöglichen. »Das heißt, dass die Beiträge möglichst gar nicht steigen.« Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) steht grundsätzlich »in völliger Übereinstimmung« dazu, sieht derzeit aber keine Geldmittel. »Im Augenblick gibt es keinen Anlass zu glauben, dass diese Spielräume sich eröffnen«, sagte Ministeriumssprecher Torsten Albig.
Bei der SPD stieß Merkels Vor-stoß auf ein geteiltes Echo. Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte: »Der Vorschlag ist nicht konsensfähig.« In konjunkturell guten Zeiten müsse gespart werden. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sowie SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles zeigten sich dagegen gesprächsbereit oder begrüßten Merkels Ankündigung.
Unionsfraktionschef Volker Kauder: »Ich unterstütze ihren Vorschlag, höhere Steuereinnahmen für die Gesundheit zu verwenden.« Der CDU-Politiker fügte hinzu: »Selbstverständlich bleibt es beim Konsolidierungskurs.«
Unklar war am Freitag, wie sich eine Rücknahme des Koalitionsbeschlusses zur Senkung der Zuschüsse für die Versicherten auswirken würde. Die Kassen hätten nach Angaben des Gesundheitsministeriums mehrere Möglichkeiten, zusätzliche Finanzmittel zu verwenden. Einige Kassen würden voraussichtlich Schulden abbauen, andere würden Rücklagen aufbauen und wieder andere die Beitragssätze senken, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater.
Nach Angaben aus Kassenkreisen ist es theoretisch möglich, dass die Krankenkassen bei ihren Kalkulationen des Haushalts 2007 (Ende November) eine Entscheidung über Zuschüsse nach der Steuerschätzung (Anfang November) berücksichtigen.

Artikel vom 30.09.2006