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Schwermütige russische Seele

Schostakowitsch-Liederabend beim ersten städtischen Kammerkonzert

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Es gibt doch immer etwas zu entdecken. Dmitri Schostakowitsch, der am 25. September 100 Jahre alt geworden wäre, kennt man als Sinfoniker und Komponisten bewegender Streichquartette. Spezialisten sind vielleicht noch seine Bühnenwerke geläufig. Doch seine Lieder bleiben in der Regel dem Konzertpublikum verborgen.

Mit einem Schostakowisch-Liederabend überbrachte das erste städtische Kammerkonzert dem geneigten und zahlreich vertretenen Publikum ein echtes Geburtstagsgeschenk, das auf den Tag genau von Alexander Vassiliev (Bartiton) und Miri Yampolsky (Klavier) im Kleinen Saal der Oetkerhalle dargereicht wurde.
Bei dem Muttersprachler Vassiliev, der schon als Gast mehrfach das Bielefelder Opernpublikum bezaubern konnte, waren die überwiegend schwermütigen Lieder wunderbar aufgehoben. Im Melos schöpft der Bariton diese um Liebe und Tod kreisenden Stücke mit seiner großartigen, warmen und in allen Registern äußerst ausdrucksstarken Stimme vorzüglich aus.
Von beschwörendem Ingrimm durchtränkt wirkt sein Vortrag der sechs Romanzen nach Gedichten von englischen Dichter, derweil er in den vier Romanzen nach Gedichten von Alexander Puschkin auch Sentiment und einen Hauch von Romantik einfließen lässt. Außer in den »Stanzen«, wo sich die starke Gefühlsaufruhr, das Getrieben-Sein in voluminösen Ausbrüchen Bahn bricht, umspielt von einer spöttisch hämmernden und verfremdeten Dies-Irae-Sequenz im Klavier.
Die israelische Pianistin Miri Yampolski erwies sich ein ums andere Mal als kongenial ausdrucksstarke Partnerin, die mit bewegtem Spiel und griffig-lautmalerischem Zugang zu atmosphärischer Dichte und typischem Kolorit beitrug - dies auch in den Spanischen Liedern, die doch recht russisch klangen.
WDR 3 sendet den Mitschnitt am 24. Oktober, 20.05 Uhr.

Artikel vom 29.09.2006