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Kindergrab:
War es
Euthanasie?

Verdacht in Menden

Menden (dpa). Unter einer Friedhofswiese im sauerländischen Menden sind die Skelette von Menschen gefunden worden, die möglicherweise Opfer des NS-Euthanasieprogramms waren.

Es gebe einen »vagen Anfangsverdacht, dass es möglicherweise Euthanasiefälle sein könnten«, sagte Oberstaatsanwalt Heiko Oltmanns. Bei der Suche nach einem Massengrab aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs sind seit Mittwoch 20 Skelette von Kindern und fünf von Erwachsenen entdeckt worden. Zwei der Kinderschädel ließen darauf schließen, dass die bei ihrem Tod ein bis sieben Jahre alten Kinder behindert waren.
Die Grabungen wurden gestern von Spezialisten fortgesetzt. Experten des Landeskriminalamtes und der Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen begleiteten die Arbeiten.
Die Suche nach einem Massengrab mit bis zu 200 Leichen war durch vielerlei Gerüchte ausgelöst worden. Es gibt Zeitzeugen-Berichte, dass von einem nahe gelegenen Ausweichkrankenhaus häufiger Leichen auf den Friedhof gebracht wurden. Das Krankenhaus war 1943 im Auftrag von Hitlers Leibarzt Karl Brandt errichtet worden. Brandt war zuständig für die Umsetzung des Euthanasie-Programms.
Der Begriff »Euthanasie« bezeichnet den Mord an Menschen, deren Leben nach NS-Ideologie »nicht lebenswert« war. Dem geheim gehaltenen Euthanasie-Programm fielen zwischen 1939 und 1941 in den so genannten Tötungs-Anstalten Grafeneck, Brandenburg, Hartheim, Pirna, Bernburg und Hadamar insgesamt 70 000 Menschen zum Opfer. Auch danach wurden mehrere zehntausend Behinderte in geheim weitergeführten Aktionen getötet.

Artikel vom 29.09.2006