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Allein militärisch ist Afghanistans Sturz zurück in frühere Taliban-Zeiten nicht zu stoppen.

Leitartikel
Afghanistan

Terror,
Korruption,
Drogen


Von Dirk Schröder
Die Armut in der Welt ist einer der Hauptgründe für den Terrorismus. Der amerikanische Ex-Präsident Bill Clinton, der dies bei seinem kurzen Auftritt in Iserlohn am Freitag festgestellt hat, ist nicht der erste Politiker, der zu dieser Erkenntnis gelangt. Doch daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen, daran hapert's leider immer noch, auch wenn in den Sonntagsreden ständig die Notwendigkeit betont wird, mehr für die Entwicklungshilfe zu tun.
Aber es ist nicht nur das zu wenige Geld, häufig genug wird es auch falsch eingesetzt oder auch gedankenlos ausgegeben und versickert in irgendwelchen Kanälen.
Beispiele hierfür gibt es viele, in Afrika und anderswo. Und ein ganz aktuelles Beispiel dafür ist Afghanistan. Mit großem Selbstvertrauen haben sich die Geberländer seinerzeit in das Abenteuer am Hindukusch gestürzt und damit hohe Erwartungen bei den Afghanen geweckt. Die Bevölkerung glaubte, in nur wenigen Jahren werde dort ein Paradies entstehen.
Die internationale Staatengemeinschaft hat die Lage in dem vom jahrzehntelangen Krieg zerschundenen Land unterschätzt. Heute muss man feststellen, dass es nicht gelungen ist, den Teufelskreis von Terror, Korruption, Drogen und Vetternwirtschaft zu durchbrechen.
Eine erschreckende Bilanz muss fünf Jahre nach dem Sturz der Taliban gezogen werden: Die Stimmung in der Bevölkerung ist längst wieder gekippt, jetzt muss verhindert werden, dass nicht das gesamte Land wieder kippt - und dann endgültig an die Korankrieger verloren geht.
Der Selbstmordanschlag am Wochenende in Kabul mit zwölf Toten ist ein weiterer Beleg dafür, es wird schwieriger, einen erneuten inneren Kollaps des Landes noch abzuwenden. Im Süden führt die NATO einen regelrechten Krieg gegen die wiedererstarkten Taliban. Aber auch im Norden ist die Stimmung umgeschlagen. Und das, obwohl die deutschen Soldaten mit ihrem mehr zivil angelegten Mandat - kämpfen und vor allem aufbauen - anders als die nur zu häufig ramboartig vorgehenden Amerikaner auf einem guten Weg waren.
Der Einsatz der NATO wird noch für längere Zeit notwendig bleiben, und er wird auch für die deutschen Soldaten nicht ungefährlicher. Doch eines ist auch klar, allein militärisch wird Afghanistans Sturz zurück in die früheren Taliban-Zeiten nicht zu stoppen sein.
Das deutsche Konzept verspricht auf diesem Weg nach wie vor die größeren Erfolgsaussichten. Doch dafür muss das Vertrauen einer verunsicherten Bevölkerung zurückgewonnen werden. Die Menschen wollen Strom, Wasser, Jobs und bessere Straßen. Doch sie müssen zusehen, wie die Korruption sich ausbreitet und der Drogenanbau zunimmt.
Ohne einen Ausbau des zivilen Engagements steht die NATO auf verlorenem Posten, auch wenn sie ihre Truppen noch einmal verstärkt. Zum Umdenken bleibt nicht mehr viel Zeit.

Artikel vom 02.10.2006